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In ihrer Werkstatt fertigt Christina Roth mit viel Leidenschaft feinste Lederwaren.

Das Rattern einer Nähmaschine, unzählige Werkzeuge, die auf ihren Einsatz warten, der Geruch von Leder und ein Zeichentisch voller Ideen – das erwartet einen in der Werkstatt von Christina Roth. In der Getreidegasse im österreichischen Salzburg fertigt sie Handtaschen, Gürtel, Geldtaschen und andere feinste Lederwaren, die eine besonders stilvolle Antwort auf die Wegwerfgesellschaft sind. In jeder Naht und jedem Zuschnitt stecken hier jede Menge Fingerspitzengefühl, Liebe zum Handwerk, Genauigkeit und Begeisterungsfähigkeit. Vor allem von Letzterer kann man überzeugt sein, wenn man von Christina Roth erfährt, wie sie zu ihrer Berufung gekommen ist. 

Zum Abschluss ihrer Studien in den Bereichen Management und Wirtschaftsethik wollte sie sich mit einer schönen, einzigartigen und hochwertigen Tasche belohnen. Ihre ganz konkreten Vorstellungen wurden von keiner der bekannten Marken erfüllt und so machte sie sich auf die Suche nach jemandem, der Wünsche umsetzen konnte. Sie wurde in Wien fündig. Eine Dame, die das Handwerk mittlerweile leider nicht mehr ausübt, fertigte das Prachtstück aus Leder, auf das Christina Roth anschliessend immer wieder angesprochen wurde. Ihr Wirtschaftssinn wurde geweckt und sie bekam die Idee, fünf weitere Exemplare der Tasche fertigen zu lassen und zu verkaufen. Behilflich sollte ihr dabei ein Taschenmacher in Salzburg sein. Beim Betreten der Werkstatt war es dann allerdings um Christina Roth geschehen: Sie verlor ihr Herz augenblicklich an dieses seltene Handwerk. Doch wie das so ist bei der Liebe auf den ersten Blick: Man sieht so manches durch die rosarote Brille. «Naiv und ehrgeizig wie ich war, dachte ich mir: Das kann nicht so schwer sein, das schaffe ich auch, und so fuhr ich einfach mal zu einem Baumarkt – gut, ich wurde dann schnell eines Besseren belehrt», erzählt sie schmunzelnd. 

Ich war in meinem Jahr der einzige Mensch aus ganz Österreich der eine Lehre als Ledergalanteriewarenerzeugerin begann. Ich erkannte einfach, dass dieses Handwerk nahezu niemand mehr ausübt, dass aber die Nachfrage durchaus da ist und dass wir so altes Kulturgut nicht einfach verkommen lassen können. Christina Roth

Nachts und an den Wochenenden ging sie von nun an ihrer neuen Leidenschaft nach und das neben einem anspruchsvollen Vollzeitjob. In Österreich wird allerdings zum Verkauf von Produkten aus Leder eine Gewerbeberechtigung benötigt. Aus diesem Grund kündigte Roth ihren Job und machte sich ohne Lehrbetrieb auf eigene Faust daran, die Berufsschule und Lehrabschlussprüfung nachzuholen. «Ich war in meinem Jahr der einzige Mensch aus ganz Österreich, der eine Lehre als Ledergalanteriewarenerzeugerin begann. Es gibt auch nur mehr eine einzige Berufsschule, in der drei Berufe in einer Klasse zusammengefasst sind, weil es sonst zu wenig Schüler wären. Ich erkannte einfach, dass dieses Handwerk nahezu niemand mehr ausübt, dass aber die Nachfrage durchaus da ist und dass wir so altes Kulturgut nicht einfach verkommen lassen können», erzählt Christina Roth. Um sich weiterzubilden, besuchte sie auch schon mal den besten Taschenmacher der Welt in Japan. Das ist wohl echte Hingabe!

Ein Fisch macht die Fliege

Einige Jahre später stellt die Taschenmacherin in ihrer Werkstatt von Kleinlederwaren wie Uhrenarmbändern, Geldbörsen und Bucheinbänden über Möbel- und Einrichtungsstücke wie Tisch-Sets und Schreibtischunterlagen bis hin zu Taschen alles her, was das Leder hergibt. Auch ungewöhnliche Aufträge sind dabei wie beispielsweise Smoking-Fliegen aus Fischleder. Oder jemand bringt ein ganzes Krokodil inklusive vier Meter langem Rückenpanzerteil in der Werkstatt vorbei und sagt zu Christina Roth: «Machen Sie einfach was daraus.» Langweilig wird ihr in diesem Job auf jeden Fall nicht bei solch einfallsreichen Kunden. Roth fertigt ausschliesslich auf Auftrag. Meistens sehen die Kunden online etwas, das ihnen gefällt, bringen eigene Entwürfe oder alte Lieblingsstücke, die sie gerne neu nachgebaut haben möchten. Die Hauptressourcen bei Roths Arbeiten sind Leder und andere Naturmaterialien wie z. B. Leinenfäden oder Bienenwachs. Für so manches brauchte die Handwerkerin Jahre, bis sie die passenden Bezugsquellen fand, die auch Kleinmengen liefern. Der Hauptakteur, das Leder, kommt direkt von Gerbereien in der Nähe. Für Sonderwünsche hat sie besten Kontakt zu einem Lederhändler in Wien. Dabei arbeitet Christina Roth alleine in ihrer Werkstatt. Wegen ihrer starken Präsenz in den sozialen Medien hat sie allerdings immer wieder Bewerber und möchte in diesem Jahr den ersten Lehrling aufnehmen. Die neuen Plattformen sorgen dafür, dass dieses aussterbende Handwerk neuen Glanz bekommt, den es in den letzten Jahrzehnten völlig zu Unrecht eingebüsst hat. Es ist allerdings eine Arbeit, für die Geduld, Liebe zum Detail und eine feine Fingerfertigkeit benötigt werden. Denn von heute auf morgen ist noch kein Einzelstück von der Handwerksbank gefallen. 

Von Entscheidungen zur Handtasche

Am Beginn stehen jede Menge Entscheidungen: Masse, Leder, Schliessen und vieles mehr. Dann folgen die Schnittmuster, ein Prototyp aus Papier und anschliessend einzelne Teile der Tasche, die aus Leder vorgefertigt werden, um zu sehen, wie sich alles zueinander verhält. Der gesamte Prozess der Herstellung von beispielsweise einer Handtasche kann schon einmal mehrere Wochen dauern. Vor allem weil kreative Pausen benötigt werden, Materialien organisiert werden müssen und Trockenzeiten eingehalten werden müssen, die in der Werkstatt von Christina Roth nicht durch Maschinen beschleunigt werden. Hinzu kommt, dass sie alle Zuschnittstücke vor dem Zusammensetzen erst einmal nach Wien schickt, damit sie dort mittels einer Spaltmaschine auf die richtige Dicke gebracht werden. Jedes Teil hat seine eigene Dicke und 0,1 Millimeter können einen grossen Unterschied ausmachen. Doch eben diese Genauigkeit, diese Details, sind es, die eine handgefertigte Tasche aus der Werkstatt von Roth so besonders machen und für die immer mehr Menschen im Sinne der Nachhaltigkeit und der Förderung kleiner Handwerksbetriebe gerne etwas mehr bezahlen. Vor allem weil man hier so viel mehr kauft als eine Tasche – Kunstfertigkeit, Leidenschaft und Erinnerungen, die man darin in den nächsten 20, 30 Jahren mit sich tragen kann. 

christinaroth​.at