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Die ganze Welt in einem Haus: Das British Museum in London ist, mit leichtem Understatement gesagt, ein Weltwunder an Wissen.

Alles begann mit einem wissbegie­rigen Iren namens Hans Sloane. Geboren wurde er 1660 im nordirischen Killyleagh, doch bald trieb es ihn hinaus in die Welt. Er studierte Medizin, Chemie und Biologie in London, Paris und Montpellier. Danach kehrte der junge ­Gelehrte zunächst auf die Insel zurück und betrieb als Arzt in London eine Praxis, nicht weit entfernt vom heutigen British ­Museum. Seine Kundschaft war prominent – er betreute Patienten wie Queen Anne und King George I. und II. – doch mit der Zeit war ihm selbst das zu wenig Abenteuer. Im Jahr 1687 reiste er deshalb mit einem Segelschiff bis nach Jamaika, das schon damals eine britische Kolonie war. Zunächst betreute er als Arzt die Sklaven auf einer Plantage. Mithilfe von englischen Plantagenbesitzern, aber noch viel mehr den dort ansässigen, oft afrikanischen Sklaven, baute er im Lauf der Zeit eine ­beachtliche Sammlung von Pflanzen, Büchern und Kuriositäten auf. 

Born in Jamaica

Die rund 800 jamaikanischen Exponate waren aber nur der Grundstock seiner Sammlung, die bald Dinge von mehreren Kontinenten umfasste. Hans Sloane war ein wohlhabender Mann, nicht zuletzt, weil er auf Jamaika eine reiche Plantagenbesitzerin geheiratet hatte. Er hatte viel Zeit, um zu reisen und zu sammeln. Sloane kaufte in den folgenden Jahrzehnten die Sammlungen anderer auf, pflegte Kontakte zu Kolonialisten und Reisenden, die ihm Objekte beschaffen konnten. Diese stellte er zunächst in seinem Haus in London aus und hatte bald zahlreiche Gelehrte und Schaulustige zu Besuch. Zu sehen gab es in seinem Ur-Museum nämlich verschiedenste Kuriositäten: Insekten, Bücher, Münzen, Steine, kulturelle Artefakte, Gemälde und vieles mehr. Nicht nur aus Jamaika, sondern auch aus Amerika, Asien und Afrika. Vor seinem Tod 1753, im stolzen Alter von 93 Jahren, vermachte Hans Sloane diese Sammlung dem Staat England – beziehungsweise seinem ehemaligen Patienten König George II. Voraussetzung: Es sollte ein frei zugängliches Museum damit geschaffen werden. Sloanes Sammlung war der Grundstock für das British Museum, das sechs Jahre später eröffnete. Mit über 50000 Büchern, Bildern und Manuskripten, teils Originale von Freibeutern und Piraten, über 30000 Münzen und Medaillen, einem Herbarium mit getrockneten Pflanzen, Skulpturen und Objekten aus aller Welt, darunter so manche Artefakte von unschätzbarem Wert. Im Januar 1759 eröffnete das British Museum mit dieser und weiteren Sammlungen bei ­freiem Eintritt. «Für alle neugierigen und wiss­begierigen Menschen», ganz nach dem Wunsch von Hans Sloane. Zunächst in ­einem herrschaftlichen Wohngebäude, doch bald führten die Sammelambitionen der Engländer zu einer Platznot. Ein Museumsgebäude musste her. Das British Museum wurde gebaut und befindet sich seit seiner Eröffnung 1850 durchgehend am gleichen Ort im Zentrum von London. Allerdings wurde der Grossteil der Büchersammlung mittlerweile in die British Library ausgelagert, und auch das Naturhistorische Museum ist schon lange nicht mehr Teil des British Museum, sondern eine eigenständige Institution geworden. Im altehrwürdigen Gebäude selbst ist vor allem der Great Court, der von einer Glaskuppel umgebene Lesesaal, eine architektonische Sehenswürdigkeit. Hier soll einst Karl Marx «Das Kapital» geschrieben haben. Leider ist der Lesesaal momentan für Besucher geschlossen. 

Rares und Ausgestorbenes

Rund acht Millionen Objekte beherbergt heute das British Museum, in ihrer Gesamtheit umfassen sie zwei Millionen Jahre Geschichte der Menschheit. Eingeteilt sind die Objekte in acht Abteilungen, die sogenannten Departments. Neben den Regionaldepartments (Afrika, Ozeanien und Amerika – Altes Ägypten und Sudan – Asien – Britannien und Europa – Griechenland und Rom – Mittlerer Osten) gibt es auch zwei Departments mit thematischem Schwerpunkt: Eines stellt Grafiken und Drucke aus, eines Münzen und Medaillen. Weitere zwei Departments befassen sich mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der historischen Gegenstände. Der Eintritt ins Museum ist immer noch frei, nur für Sonderausstellungen ist zu bezahlen. Auch viele der ange­botenen Führungen sind kostenfrei. Hier locken etwa museale Expeditionen ins ­«Römische Britannien», ins «Alte Ägypten» oder in die «Die Welt des Geldes». Spezialtouren führen zum «Parthenon», zum ­«Rosettastein» oder zum Thema «Tod im Alten Ägypten». Viele der Ausstellungs­stücke sind rare ethnografische Objekte von traditionellen, oft bereits ausgestorbenen Kulturgruppen. In der Abteilung «Afrika, Ozeanien und Amerika» findet sich beispielsweise ein Schlitten aus Wal- und Walrossknochen, den die Inuit im frühen 19. Jahrhundert benutzten. Holz war nämlich Mangelware in ihrer kargen Heimat, der Baffin Bay zwischen Grönland und Kanada. Nach Europa gebracht hat den Schlitten der Entdecker John Ross (1777 – 1856), der angeblich erste Weisse, der mit den Inuit in Kontakt kam. Die Ausstellungs­objekte stehen also nicht für sich selbst, sie erzählen etwas über Lebens- und Überlebensbedingungen ihrer Besitzer – und auch die Geschichte ihrer sogenannten Entdecker. Die ältesten musealen Objekte finden sich in der Abteilung «Altes Ägypten und Sudan»: Bis zehn Jahrtausende vor Christus datieren manche der rituellen Objekte, Werk­zeuge und Skulpturen aus dem Nildelta. Gleichzeitig ist das British Mu­seum hier auch an Ausgrabungen beteiligt. Gegenwärtig wird Leben und Kultur der Nubier erforscht, die um 1500 vor Christus im ­Norden des Sudan gelebt haben. Die Objekte aus dieser Region gehören auch zu den wertvollsten im Haus und erzählen zugleich einen wichtigen Teil der Geschichte des British Museum. Ein legendäres Beispiel ist der Stein von Rosetta, bis heute einer der bedeutendsten archäologischen Funde weltweit. Auf diesem über 700 Kilogramm schweren Stein aus dem Jahr 196 vor Christus ist nämlich ein Text in drei ­verschiedenen Schriften eingemeisselt: in Hieroglyphen, in demotischer und in altgriechischer Sprache. Im Jahr 1799 fanden französische Soldaten den Stein in der altägyptischen Hafenstadt Rosette. Für Wissenschaftler eine Sensation, denn schon lange suchten sie nach einem Schlüssel zur Entzifferung der Hieroglyphen. Nach seiner Niederlage im Jahr 1801 musste Napoleon dann alle Artefakte den Briten überlassen. Bereits ein Jahr später stand der Stein im British Museum. 

Buddhas Fussspuren

Geografisch weiter gespannt ist der Bogen, den die Abteilung «Asien» umfasst: Von Indien über China und Japan geht es bis nach Sibirien. Hier stehen Handwerkserzeugnisse aus abgelegenen Dörfern neben moderner Kunst aus den asiatischen Metropolen. Ausserdem gibt es hier die umfassendste Sammlung chinesischen Porzellans zu sehen und die sogenannten Fussspuren des Buddha. In der Abteilung «Münzen und Medaillen» geht es um das liebe Geld. Die Sammlung von Papiergeld umfasst chinesische Banknoten aus dem 14. Jahrhundert bis zum Euro, hauptsächlich aber natürlich Münzen, die teilweise auch aus dem Römischen Reich stammen. Doch das wiederum ist Thema einer anderen Abteilung, und zwar «Griechenland und Rom». Über 100000 Objekte aus der klassischen Antike stehen im Besitz des British Museum, von 3200 vor Christus bis zum römischen Herrscher Konstantin im 4. Jahrhundert. Aus der griechischen Sammlung seien besonders Teile des Parthenon-Frieses in Athen hervorgehoben. Die auch als Elgin Marbles bekannten Marmorfiguren stammen von der Akropolis. 

Platznot und Tugend

Auch in der Heimat, in Grossbritannien und Europa, beteiligt sich das British Museum an Ausgrabungen und Forschungsprojekten. Eine wichtige Rolle für das Museum spielen aber auch Zufallsfunde: Eine eigene Abteilung registriert all jene archäologischen Funde, die in England und Wales von der Zivilbevölkerung in ihren Gärten oder beim Wandern zufällig gemacht werden. Landen solche Objekte im British Museum, werden sie vom Expertenteam der Konservierungsabteilung gesäubert, restauriert und vor der Zersetzung bewahrt. Eines der berühmtesten Ausstellungsstücke von der Insel ist übrigens der Lindow Man – eine rund 2000 Jahre alte Moorleiche, die sehr gut erhalten ist. Nicht alle Objekte des Museums finden den Weg in die Ausstellungen, viele von ihnen bleiben aus Platzmangel im ­Depot des Museums. Um der grassierenden Platznot etwas Abhilfe zu verschaffen, wurde vor einigen Jahren das World Conservation and Exhibitions Centre gleich neben dem historischen Gebäude errichtet. Es bietet Platz für Besucher, aber auch für Restauratoren und Wissenschaftler. Hier sind Wanderausstellungen, Büros, Lager und Werkstätten zu finden. Entworfen hat es das Londoner Architekturbüro Rogers Stirk Harbour + Partners. Der neunstöckige Bau schafft es, zeitgenössisch auszusehen und fügt sich trotzdem harmonisch ins historische Gesamtbild, das natürlich auch immer die Glorie des einstigen Weltreichs widerspiegelt. Die Schätze aus dem ehemaligen britischen Imperium erzählen eine Geschichte, die bis in die Gegenwart reicht. Immer wieder fordern Angehörige indigener Gruppen Objekte zurück, die ihnen von Kolonialisten geraubt wurden. Das British Museum ist daher nicht nur Museum, sondern auch Ort der aktiven Auseinandersetzung mit der britischen (Kolonial-)Geschichte. Einige der berühmten Bronzestatuen aus dem ehemaligen Königreich Benin werden bald ins heutige Nigeria zurückgebracht. Vor über hundert Jahren waren sie von britischen Soldaten «erbeutet» worden. Zunächst ist es nur eine Leihgabe des British Museum für eine temporäre Ausstellung im Benin Royal Museum, doch die Symbolkraft ist gross. 

Unsterblich mit Sauerklee

Auch die Bewohner der Osterinsel fordern Kulturgüter zurück, konkret geht es um ihre Hoa-Hakananai’a‑Statue. Diese wurde im Jahr 1868 von den Briten gestohlen und als Geschenk der Queen übergeben. Auch Griechenland fordert schon seit Jahrzehnten die Rückgabe der Parthenon-Teile. Der britische Botschafter Lord Elgin hatte sie im frühen 19. Jahrhundert einfach mitgenommen. Der Grundstock der Sammlung, das jamaikanische Herbarium von Hans Sloane, wird dem Britischen Museum wohl erhalten bleiben. Sloanes Name ist aber auch darüber hinaus für die Nachwelt verewigt, nämlich in der Tier- und Pflanzenwelt. Der Botaniker Carl von Linné benannte nach ihm die Gattung einer Sauerkleefamilie: die Sloanea. Und der Schmetterlingsforscher Peter Cramer widmete ihm eine jamaikanische Schmetterlingsart. Der Urania sloanus ist allerdings bereits ausgestorben.

britishmuseum​.org

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15. Mai 2022 Cutiss 2

Personalisierte Hauttransplantate

Die Technologie des 2018 gegründeten Schlieremer Biotech-Start-up Cutiss erlaubt die Produktion individuell angepasster Hauttransplantate.

Weltweit leiden Millionen von Menschen an schweren Hautdefekten, welche chirurgisch behandelt werden müssen, um die Funktion der Haut wiederherzustellen. Cutiss hat es sich zum Ziel gesetzt, diesen Menschen zu helfen. 2021 schaffte es das im zürcherischen Schlieren ansässige Start-up auf den zweiten Platz des Top 100 «Swiss Startup Award». Das Unternehmen ist aus einem Forschungsprojekt des Kinderspitals Zürich hervorgegangen und züchtet aus einem kleinen Stück Haut der Patienten grössere Flächen für Hauttransplantationen – denovoSkin genannt. Die Entwicklung führt zu geringerer Narbenbildung und kann mit dem Patienten mitwachsen. Eine kürzlich in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum CSEM entwickelte automatisierte Maschine zur Herstellung von denovoSkin soll die gleichzeitige Kultivierung mehrerer Hauttransplantate ermöglichen und somit die Produktionskosten und ‑zeiten erheblich reduzieren. 

cutiss.swiss

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11. Juli 2022 Art Basel 01

Kunst, Krieg und Klimakrise

Was die Kunstwelt aktuell bewegt – ein Bericht von der diesjährigen Art Basel.

Endlich wieder Art Basel im Juni! Das haben sich wohl viele Basler und Kunstfans aus aller Welt gedacht, als nach den Absagen und Verschiebungen der letzten Jahre dieses Jahr wieder Mitte Juni die wichtigste Kunstmesse der Welt stattfand. 

Die Art Basel war in diesem Jahr laut Messechef Marc Spiegler nicht nur darauf bedacht, die aktuellen Krisen und gesellschaftspolitischen Belange zum künstlerischen Thema zu machen, sondern im Sinne des Klimaschutzes den Co2-Verbrauch der Messe zu reduzieren. Zu diesem Zweck ist die Art Basel 2021 der Gallery Climate Coalition beigetreten, die es sich zum Ziel gesetzt hat, ökologische Nachhaltigkeitsrichtlinien für den Kunstsektor zu erstellen und an der optimalen und umweltverträglichen Ressourcennutzung zu arbeiten. 

Unter dem Motto «Höher, weiter, grösser» steht hingegen die Expansionsfreude der Art Basel. Nach Ablegern in Miami und Hongkong, wo die Messe allerdings wegen der stark eingeschränkten Meinungsfreiheit umstritten ist, wird es im Oktober eine Messe in Paris geben. 

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10. Februar 2021 Nutshell Käse Aufmacher neu

Drei Käse hoch

Von Dieben und Hochzeitsgeschenken – interessante Käse-Fakten.

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