Reisen in Zeiten von Corona hat vieles durcheinandergebracht. Plötzlich gibt es leere Museen, freie Betten und stille Stadtspaziergänge – besonders in reizvollen Zweite-Reihe-Städten, die lieber dezent hinter den einschlägigen Coverstars zurückstehen.
Sie haben den ersten Teil dieser Geschichte über Lyon und Turin verpasst? Lesen Sie ihn hier einfach nach!
Melancholie an der Moldau
Next Stopp Prag. Und weil wir winterlich unterwegs sind, eilt uns die tschechische Postkarten-City mit der überreifen Pracht der vertrauten Bilder entgegen. In Zeiten der Pandemie überlagern sie sich mitunter mit echtem Erleben. Addieren sich im Falle Prags zur Hülle aus Gold und schwerem Ziegelrot – komponiert aus dem Leuchten mittelalterlicher Dächer, die nach 287 Stufen von der Spitze des St. Veits-Dom aus bewundert werden kann. Goldgelb sind auch die letzten Lindenblätter, die der Wind vors moderne Kampa-Museum treibt und vielleicht weiter über die berühmte Karlsbrücke zum Renaissance- und Barock-Ensemble des Altstädter Rings. Wer sich selbst ein wenig treiben lässt, für den verwandelt sich Prag plötzlich wieder in das zurück, was die Stadt lange Zeit so aussergewöhnlich machte, in die melancholische Moldau-Schöne, die morbide Muse stiller Winkel. Prag fällt in die Corona-Kategorie der «Wann, wenn nicht jetzt»-Reiseziele. So verträumt wirkte das, jenseits des Luxus-Boulevards Pařížská gelegene, jüdische Josefov-Viertel seit Langem nicht mehr. Keine Schlangen vor den sechs Synagogen, dem jüdischen Rathaus, dem geheimnisvollen Friedhof. Die im maurischen Stil gestaltete Spanische Synagoge an der Vězeňská, eine der schönsten Europas, und erst recht die in Bahnhofsnähe gelegene, farbenprächtige Jerusalem-Synagoge verströmen eine ganz besondere Stimmung.
Kubisten-Torte und Kafkas Kopf
Wenn das goldene Leuchten kurz Pause macht, locken aber auch Indoor-Termine. Einen aussergewöhnlichen Stil pflegt das «Haus zur schwarzen Mutter Gottes» am altstädtischen Platz Ovocný trh – dem Epizentrum des kantigen Prager Kubismus um 1910. Hier finden sich die Galerie «Kubista», das Museum des Tschechischen Kubismus, und im ersten Stock serviert das «Grand Cafe Orient» sogar kubistische Tortenecken. Apropos modernistische Kunst: In der Moldau-Biegung kuschelt sich der angesagte Studentenbezirk Holešovice durch den Prager Winter. Fans funktionalistischer Architektur können hier im ehemaligen Messepalast von 1925 eine Dependance der Nationalgalerie Prag erkunden. Auf vier Etagen finden sich Arbeiten von Klimt, Munch, Monet oder Rodin – insgesamt 2’300 Exponate. Der Spaziergang auf den Spuren des Bildhauers David Černý führt hingegen quer durch die tschechische Hauptstadt – und gleicht einem Parcours moderner Kunst. Im Szene-Viertel Žižkov krabbeln Babys einen Fernsehturm hoch. In der ohnehin sehenswerten Lucerna-Passage, Vodičkova 36, reitet der Heilige Wenzel auf dem Bauch eines verkehrt herum aufgehängten Pferdes. Ähnlich obskur: jener verspiegelte Kafka-Kopf, der sich in der Quadrio Mall scheibchenweise im Kreise dreht.
Service Prag
Schlafen
Hotel Josef, Rybná 20 – hoteljosef.com
Einziges Mitglied der Design Hotels TM in Tschechien: Das zentrale Hotel Josef setzt auf minimalistische Eleganz und tschechisches Design: Glas und Stahl dominieren.
Essen
Restaurace Mincovna, Staromestske namesti 930/7 – restauracemincovna.cz
Das superzentrale Restaurant interpretiert lokale Klassiker mit erfrischenden Nuancen – etwa Kalbstatar mit Kerbel und Kapern oder Enten-Rillette mit Ingwer-Gurken.
Shopping
B Team Store, Skořepka 4 – botas66.com
Die tschechische Antwort auf Nike und Adidas heisst Botas 66: Re-Design des sozialistischen Einheitstreters «Classic» von 1966 in Bunt.
prague.eu
Oslos Offensive
Städte im steten Fluss – das hat nicht nur mit Rhône, Po, Rhein oder Moldau zu tun. Urbanität bedeutet generell Veränderung. Phasen des städtischen Tiefschlafes wechseln dann mit gewagten Sprüngen. Genau das macht neugierig auf die jüngste Überflieger-City des Nordens. Hamburgs Hafen-City ist damit aber nicht gemeint, sondern das nordische Langzeit-Mauerblümchen Oslo. Viel frische Luft unter Einhaltung der Abstandsregeln – das garantiert der Besuch der neuen Osloer Stadtteile allemal. Der ehemalige Containerhafen Sørenga am Oslofjord – ein grüner Park mit Kanälen und arktischem Outdoor-Feeling – ist nun Teil der neun Kilometer langen, neuen Hafenpromenade. Erstmals schafft diese eine Verbindung entlang des Fjordufers, teils mittels cooler Fussgängerbrücken. Im benachbarten Tjuvholmen öffnen sich wiederum internationale Galerien dank grossformatiger Glasflächen zur Strasse und laden Passanten ganz bewusst zur Teilhabe am Kunstgenuss ein. Da wäre vor allem das neue futuristische Hochhäuser-Ensemble von Barcode im Stadtteil Bjørvika – Oslos neue Skyline. Doch die Oslo-Offensive geht es auf breiterer Front an. Die neue Deichmansche Bibliothek wurde eben erst eröffnet, während die spektakuläre Architektur des Opernhauses gleich in mehrfacher Hinsicht Blicke auf sich zieht – weil sie erstens wie eine eckige, weisse Eisscholle im Hafen treibt und zweitens durch grosse Fenster das Zuschauen beim Proben erlaubt. Apropos Augenblicke: Einige Zeit dauert es leider noch mit der für diesen Herbst angekündigten Eröffnung des grössten monothematischen Museums der Welt – Oslos neues Munch Museum wird doch erst 2021 Besucher empfang. Bewundert werden kann der spektakuläre Bau, der sich im Herzen von Oslos neuem Kunsthafen höflich verneigt, freilich schon jetzt.
Service Oslo
Schlafen
Clarion Hotel Oslo, Dronning Eufemias Gate 15 – nordicchoicehotels.com
Das neue Corporate Hotel setzt im angesagten Stadtteil Bjørvika auf zeitgenössisches skandinavisches Design.
Essen
Code, Dronning Eufemias Gate 18 – coderestaurant.no
Internationale Gourmetküche im MAD-Gebäude mit tollem Barcode-Ausblick.
Shopping
Utopia Retro Modern, Bygdoy Allé 60 – utopiaretromodern.com
Fundgrube für Vintage-Design und dekorative Kunst aus dem 20. Jh.

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