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Trendforscherin Anja Kirig blickt in die Zukunft des Reisens.

Trends & Travel – für Anja Kirig ist dieser klingende Titel Beruf und Berufung zugleich. Die deutsche Zukunfts- und Trendforscherin hat sich auf das Thema Reisen spezialisiert und lebt diese Passion in allen Facetten. Wieso Nachhaltigkeit ein Must-have ist und Fernreisen dennoch gefragt sind, lesen Sie hier.

Wie reist man heute und in Zukunft?

Resonanztourismus ist auf jeden Fall ein grosses Thema. Dabei geht es darum, auf Reisen neue Beziehungen zu generieren und zu erfahren. Wobei Resonanz nicht nur Beziehungen zu Personen impliziert. Gemeint sind auch Beziehungen zu Orten, Themen, Räumen, Objekten. Es geht darum, das zu erleben, was passiert, wenn ich in Beziehung mit etwas trete. Das kann ich durchaus auch erfahren, wenn ich alleine an einen besonderen Ort, in die Natur etc. reise. Beim Resonanztourismus ist der Effekt das Wesentliche. Es geht nicht nur darum, einen kurzen Eindruck zu erhalten, sondern eine Erfahrung zu erleben, die einen nachhaltigen Effekt auf mein Leben hat. Es geht darum, von der Reise etwas für den Alltag mitzunehmen.

Hat die Pandemie unsere Art des Reisens verändert?

Das ist durchaus erkennbar. Die Rahmenbedingungen in Sachen Reisen haben sich komplett verändert. Die gesellschaftlichen Bedingungen und Möglichkeiten sind ganz andere geworden. Manche reisen dadurch weniger, andere lassen sich auch dadurch nicht abhalten. Es gibt ganz unterschiedliche Ideen und Reiseformate, wie man aktuell reist. Die Ansprüche und Bedürfnisse gehen dabei aber auf jeden Fall mehr in Richtung persönlicher Nachhaltigkeit.

Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit im ökologischen Sinn aus?

Der bewusste Umgang mit Ressourcen und nachhaltiger Lebensweise ist ein Thema, welches seit den letzten Monaten nicht mehr ausgeblendet werden kann. Natürlich werden dadurch auch die Reisemärkte beeinflusst. Das liegt zum einen daran, dass Orte und Destinationen ganz konkret die Folgen des Klimawandels spüren. Sodass touristische Orte sich gezwungen sehen, ihr Angebot nachhaltiger zu gestalten, um zukunftsfähig zu bleiben. Das Bewusstsein für ökologische Nachhaltigkeit lässt sich bei den Reisenden immer weniger ausblenden und wird somit zum grossen Thema. Für die Reisemärkte bedeutet das, dass Nachhaltigkeit kein Nice-to-have, sondern ein definitives Must-have sein wird. Das ist ein Prozess, welcher von den Kunden künftig absolut gefordert wird und in der Branche zunehmend in seiner Bedeutung reflektiert wird. Vor allem da aktuelle Studien auch zeigen, dass Kunden durchaus bereit sind, für einen ökologisch verträgliche Ferien auch mehr zu bezahlen.

Hat dieser Wunsch nach Nachhaltigkeit auch Einfluss darauf, welche Form des Reisens gewählt wird?

Durchaus! Zugreisen erleben einen Aufschwung. Was früher undenkbar war, da das Reisen auf Schienen einen nicht wirklich guten Ruf hatte. Jetzt hat diese Art des Reisens wieder einen neuen Charme und neue Attraktivität bekommen und das Angebot wird ausgebaut. Von neuen Nachtzugverbindungen bis zu luxuriösen Hotels auf Schienen.

Nachhaltigkeit ist in der Reisebranche kein Nice-to-have, sondern ein absolutes Must-have.

Werden die Menschen in Zukunft weniger reisen?

Der Wunsch des Menschen, die Welt zu bereisen, bleibt stark. Wir leben in einer globalen Gesellschaft, in der es wesentlich ist, sich mit anderen Kulturen auszutauschen, andere Orte und Perspektiven kennenzulernen! Das ist ein Aspekt, der auch in Zukunft nicht negiert werden will. Es wird also nicht weniger, aber durchaus bewusster gereist werden. Für einen Tag nach London oder Paris fliegen – diese Art des Reisens wird eher abnehmen. Für einen längeren Zeitraum auf einen anderen Kontinent zu reisen, wird bleiben. Wobei hier auch die Reiseveranstalter gefragt sind, nachhaltige Lösungen in Sachen Fliegen zu bieten. Das Bedürfnis der Menschen nach Fernreisen ist da und wird auch weiterhin existieren.

Hat nicht gerade jetzt Regionalität ein Comeback erlebt?

Aufgrund der Pandemie wurde natürlich vermehrt regional gereist. Ein Phänomen, das sich weltweit beobachten lässt. Aber auch wenn sich manche Regionen wünschen werden, dass die Leute nur mehr in der näheren Umgebung reisen, sieht die Realität dennoch anders aus. Menschen wünschen sich, auch etwas anderes kennenzulernen. Wobei: Dieses Unabdingbare, ganz weit weg zu reisen, nur der Fernreise wegen, relativiert sich. Wenn Fernreise, dann mit konkretem Mehrwert. Kurze Erholung gerne auch regional. Regionales Reisen kann für sehr viel Entspannung sorgen.

Gibt es einen Trend, der Sie persönlich überrascht hat?

Prinzipiell versuche ich, Themen immer neutral zu betrachten. Oft gibt es kleine Trendwellen, die sich verstärken. Andere flachen dann wieder ab. Aber was ich persönlich bemerkenswert finde, ist, wie sich die Kreuzfahrtbranche trotz aller Widrigkeiten immer wieder neu erfindet. Das ist interessant zu beobachten. Und was ich auch spannend finde, ist Van Life, diese Art, mit dem Auto durch die Welt zu reisen, nimmt Dimensionen an, die durchaus überraschend sind. 

Kann man mit einem Boom in der Branche rechnen?

Damit ist durchaus zu rechnen. Reisen gehört für viele Menschen zum Alltag dazu, das wird vermisst und will auch nachgeholt werden. Nach zwei Jahren des Verzichts ist das der Wunsch vieler Reisender.

Vielen Dank für das Gespräch!