In Oman gehen die Uhren anders: Archaische Dörfer aus Lehm, duftende Weihrauchmärkte und Oasen wie aus Tausendundeiner Nacht machen das Landschaftsjuwel am Arabischen Meer zum Sehnsuchtsort der Superlative.
Vier Monate dauerte allein das Zusammennähen der einzelnen Teppichteile, und die vorangegangenen Knüpfarbeiten zogen sich drei Jahre lang dahin. Sechshundert Knüpferinnen waren damit beschäftigt. Die Zahl der Knoten, die da in feiner Handarbeit entstanden, raubt einem schier den Atem: 1,7 Milliarden! Das passt gut zu einem Teppich, der 22 Tonnen wiegt und 4263 Quadratmeter misst. Und der Teppich passt gut zum Gebäude der Superlative, nämlich der Grossen Sultan-Qabus-Moschee, eine der grössten der Welt. Dann kommt ein Stück Maskat zur Ruhe. Kühlende Marmorböden glänzen im gefilterten Licht. Die Luftzirkulation hoher Räume, in denen Kenner islamischer Architektur Baustile aus unterschiedlichen Epochen bewundern, macht fast ein wenig schläfrig. Auch die umliegende Hauptstadt verleitet zum Staunen und entspannt zugleich. Der Bauboom der letzten Jahre hat «Greater Muscat» verändert, längst erwartet einen südlich des internationalen Flughafen von Seeb die omanische Moderne. Doch dazwischen bleibt Platz für gepflegte Rasenflächen und sogar für ein Mini-Naturreservat. Qurm-Park heisst es – eine Kreuzung aus Picknickwiese und Graureiher-Revier, das sich neben dem Hügel des eleganten Villen-Bezirks erstreckt. Auf charmante Weise gehen hier Metropole und Dorf ineinander über, und das gilt auch für die beiden kleinen Buchten, an denen die Naturhäfen Mutrah und Alt-Maskat liegen. Steil aufragende Küstengebirge verhindern hier die Ausdehnung, davon profitiert nun Mutrahs weit geschwungene Corniche. Orientalisches Herz der Stadt — das trifft das pittoreske Kaleidoskop aus Fischmarkt, weiss getünchten Händlerhäusern und überdachtem Souk ziemlich gut. Die hufeisenförmige Nebenbucht Alt-Maskat geht es ruhiger an. Bilderbuchmässig kleben die Festungen aus dem 16. Jahrhundert an den gezackten Felsen und beherbergen die königliche Garde des Sultans sowie dessen Privatmuseum.
Uralte Handelsplätze und verwunschene Dörfer
Die Romantik alter arabischer Stätten prägt Rundreisen durch den Oman auch später – egal ob man als Selbstfahrer unterwegs ist oder im Rahmen einer organisierten Tour. Fanjah – erster Stopp auf der Anreise von Maskat in die alte Handelsstadt Nizwa – beschert etwa herrliche Blicke auf den Sumail-Pass, und die vielen Wachtürme verweisen darauf, dass hier die wichtigste Route in den Inneroman verlief. Die Gegend um Nizwa ist reich an solchen Stätten. Misfat al Abriyyin stapelt sich zwischen steilen Felswänden und kleinen Terrassenfeldern – archaisch wie das komplexe System der schmalen Bewässerungskanäle. Oder Birkat al-Mauz, die Pforte zum 2000 Meter hohen Saiq-Plateau, in dessen frischer Bergluft pinkfarbene Zwergrosen gezüchtet werden: ein perfekt restauriertes Fort neben pittoresken Lehmhäusern. Das von einer mächtigen Stadtmauer umgebene Bahla Fort, UNESCO Welterbe, liegt im selben Dornröschenschlaf: Eine grosse Oase sichert das Überleben der Bauern, und auch der alte Dorfbrunnen versieht weiterhin seinen Dienst. Wer durch Bahlas Gässchen schlendert, stösst in den Hinterhöfen auf Töpfer, die ihre Ware nach Jahrtausende alter Methode brennen.
Postkartenidylle
Das am Fusse des imposanten Hadschar-Gebirges gelegene Nizwa ist von anderem Kaliber. Hinter schweren Holztoren kann man hier in omanische Traditionen eintauchen. Verwinkelte Treppen führen auf runde Kanonentürme, dahinter schimmert die golden und blau glasierte Kuppel einer angrenzenden Moschee. Es gab Zeiten, in denen ungewollte Gäste mit heissem Dattelhonig empfangen wurden, serviert durch Schlitze über den Türstöcken. Heute erwartet einen in Nizwa eine orientalische Märchenstadt in Reinkultur. Gateway zu den bizarren Gebirgslandschaften des Inneroman ist die historische Stadt, die über Jahrhunderte als geistige Hauptstadt des Landes galt, auch. Hinter Al-Hamra schneidet das Wadi Ghul, die «Mutter aller Schluchten», zwanzig Kilometer tief ins Massiv des Dschabal Schams hinein, wo mit einem Ausflug zum «Grand Canyon von Oman» ein wahres Highlight wartet. Schräg gegenüber auf dem Dschabal Al Akhdar werden in Luxusoasen der 5‑Sterne-Hotellerie einige der höchstgelegenen Resorts der Welt unterhalten. Ein Level höher funkelt nur mehr der Sternenhimmel. Am besten man geniesst ihn in Rückenlage; dank des klaren Blicks auf die Milchstrasse kommt man aus dem Staunen so schnell nicht heraus.
Spuren im Sand und in der Seele
Das gelingt auch im Rahmen exklusiver Wüstentrips ganz gut. Im «Leeren Viertel» Rub al-Khali führen sie über 400 Meter hohe Sanddünen – gigantische Kunstwerke der Natur, denen omanische Beduinen mit Respekt begegnen. Weise Lagerfeuer-Sprüche sind dann nie weit: «Niemand hinterlässt Spuren in der Wüste. Aber die Wüste hinterlässt Spuren in der Seele der Menschen.» In Oman rillen sie sich besonders tief ein. Die leicht erreichbaren Desert Camps der Sharqiyah Sands-Wüste, auch bekannt als Wahiba Sands, sind keine schlechte Gegend, um dem nachzuspüren: Dunkelgelb bis rötlich leuchten die Sanddünen der Sharqiyah-Sands-Wüste im späten Abendlicht, wie diese Wüste auch heisst, und die langen Schatten legen sich zeichnerisch über die vom Wind zurechtgefrästen Dellen. Immer wieder tauchen Gestrüpp und Büschelwerk zwischen den weit über 100, an manchen Stellen bis zu 250 Meter hohen Sandbergen auf, die ganz im Osten des Landes das Hadschar Gebirge vom Indischen Ozean trennen. Die Lage zwischen Gebirge und Meer charakterisiert auch die regionalen Unterschiede der grössten rein omanischen Sandwüste. Während die feinen Felspartikelchen der Östlichen Hadschard die Dünen im Norden rötlich-gelb schimmern lassen, strahlen sie an der Küste in hellen Weisstönen – ein Vermächtnis der zahllosen Meeresmuscheln, die hier seit Jahrmillionen mitmischen.
König Weihrauch
Ein ganz anderes Highlight des östlichen Omans ist hier nicht weit entfernt: Rollt man die Küstenstrasse von Maskats exklusiven Badebuchten um Bandar Jissah ein Stück weiter nach Südosten, tauchen die historischen Dau-Werften der weissen Hafenstadt Sur auf. Das Sultanat leistet sich hier den kleinen Luxus, die anderswo längst verschwundene Handwerkskunst des arabischen Schiffsbau über Wasser zu halten – typisch Oman. Flug nach Salalah, die Ecke mit den langen weissen Sandstränden. Und dann immer der Nase nach. Diese Methode funktioniert am Weihrauchmarkt des Badeorts ziemlich gut. Denn unüberriechbar regiert hier König Weihrauch. Als Weihrauch-Kaugummi, und zu bröseligen Platten gepresst, ist das Baumharz erhältlich. Connaisseurs suchen nach der grünlich-transparenten Sorte Royal al-Horaji. In und um Salalah begann einst die berühmte Weihrauchstrasse des Südlichen Arabien, und das Verbreitungsgebiet der knorrigen Weihrauchbäume blieb auch hinterher exklusiv. Im umliegenden Gouvernement Dhofar gedeiht die Pflanze besonders gut, am besten an dem Meer abgewandten Berghängen. Das Land des Weihrauchs im Südwesten von Oman ist in mancherlei Hinsicht einzigartig. Kokos- statt Dattelpalmen verleihen ihm einen Hauch von Tropen. Der Südwestmonsun Kharif, der ab Juni die Küstengebiete streift, beschert dem trockenen Land knüppeldicken Nebel und feinen Sprühregen. Ende September überzieht er den Dhofar mit einer grünen Decke.
Arabia felix
Glückliches Arabien! Zum antiken Beinamen des Dhofars passen aber auch die langen, weissen Sandstrände, die Salalah zu einer der besten Badedestinationen des Vorderen Orients machen. Der alte Hafen von Mirbat bei Khor Rouri – rund vierzig Kilometer östlich von Salalah – erzählt lieber eine ältere Geschichte. Von den antiken Grundmauern des vor zweitausend Jahren vom Königreich Hadramaut gegründeten Weihrauchhafens Sumhuram überblickt man ein kleines Landschaftsjuwel: Quietschgrün und hellblau erstreckt sich die von Uferschilf gesäumte Lagune des versandeten Hafens in die hügelige Mondlandschaft hinein. Die Daus sind verschwunden. Im alten Sumhuram legen nun seltene Zwergflamingos, Löffler, Uferschnepfen und Wasserfasane an – Afrikas Vogelwelt ist nah.
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