Jung, detailorientiert und mit klarer Haltung: Diese vier Newcomer im Möbeldesign zeigen, wie Entwürfe heute Geschichten über Material, Kontext und Kultur erzählen.
JIRI LUKAS: Architektur mit Haltung
Wer Jiri Lukas begegnet, merkt schnell: Hier arbeitet jemand, der sich nicht von Moden treiben lässt. Der junge Architekt aus Liberec denkt Architektur vom Ort aus – egal ob Stadt oder Landschaft – und sucht nach Lösungen, die klar, präzise und gleichzeitig überraschend zeitlos sind.
Was ihn von vielen Kolleginnen und Kollegen unterscheidet, ist sein unbedingter Wille zum Detail: Kein Übergang, keine Fuge, kein Möbelstück bleibt dem Zufall überlassen. Im Projekt SENSU, einem asiatischen Café im hippen Prager Viertel Žižkov, zeigt er, wie weit dieses Denken trägt. Zwischen Beton, Holz, Leinen und Edelstahl entsteht ein Raum, der die Intensität von Matcha-Tee genauso spürbar macht wie die Ruhe einer fernöstlichen Teestube – mitten im urbanen Trubel.
Jiri Lukas steht für eine Generation, die Kontext, Material und Atmosphäre mit derselben Ernsthaftigkeit betrachtet wie die grossen Fragen von Nachhaltigkeit und Langlebigkeit. Genau diese Mischung macht neugierig auf mehr – denn hier entwickelt sich eine Handschrift, die das Potenzial hat, die tschechische Architekturszene nachhaltig zu prägen.
Drei Fragen an Jiri Lukas:
Gibt es einen Gegenstand, den du täglich benutzt und niemals ersetzen würdest?
Mein Notizbuch. Ohne darin Gedanken oder Skizzen festzuhalten, schlafe ich schlecht. In unseren Projekten sind es oft die Stühle von Hans Wegner – unaufdringlich schön, funktional und zeitlos.
In einer Welt, die immer smarter und schneller wird – welche Rolle spielt Handwerkskunst?
Eine entscheidende. Ideen und Wünsche werden erst durch fähige Menschen Realität. Ohne Handwerk gäbe es nichts, was wir wirklich geniessen könnten.
Was sollte Design heute nicht sein?
Verwirrend. Gutes Design muss verständlich sein – im besten Fall zugleich über Verstand und Emotion.
STUDIO Œ: Design, das zum Gespräch einlädt
Das Berliner Duo Studio Œ, gegründet von Lisa Ertel und Anne-Sophie Oberkrome, bewegt sich zwischen Möbel, Objekt und sozialer Geste. Ihre Arbeiten entstehen aus einer Faszination für Materialien und Alltagsphänomene – ob Holz, Glas oder Dinkelspelzen – und übersetzen diese in Formen, die überraschend neue Geschichten erzählen.
Statt dem einen grossen Statement nachzujagen, suchen sie nach Momenten, die Begegnung stiften: Mit den charaktervollen Römergläsern des Kollektivs FAN wird jedes Anstossen zum Gespräch. Und im Rahmen der FARM GROUP entwickelten sie mit dem «Silo Seat» ein Sitzobjekt, das direkt aus dem Alltag eines Bauernhofs heraus gedacht ist und Teil des Hofkreislaufs wird.
Diese Projekte zeigen, wofür Studio Œ steht: Design als Philosophie, die präzise im Material ist, aber offen im Gebrauch – und somit Räume schafft, in denen Menschen ihre Umwelt anders wahrnehmen, miteinander ins Gespräch kommen und Neues ausprobieren.
Drei Fragen an STUDIO Œ
Wenn eure Entwürfe eine Sprache hätten – was würden sie flüstern, was würden sie schreien?
Sie würden flüstern: «Komm näher …» – weil vieles in den Details steckt. Und sie würden rufen: «Ich bin da – nutze mich, wie du willst.» Unsere Gestaltung soll begleiten, nicht vorschreiben.
Welche gesellschaftliche Lücke wollt ihr mit eurer Arbeit füllen?
Wir glauben nicht an das eine Objekt, das alles löst. Aber Gestaltung kann Impulse geben – ein Möbel, das Haltung zeigt, Gläser, die Gespräche anstossen, oder Sitzobjekte, die Teil eines landwirtschaftlichen Kreislaufs werden. Es geht immer um mehr als Funktion: ums Miteinander, um Austausch, um neue Perspektiven.
Was würdet ihr nie entwerfen – und warum?
Grundsätzlich schliessen wir wenig aus – selbst banale Dinge können spannend werden, wenn man sie neu denkt. Aber klar: Waffen würden wir niemals gestalten.
JIRI KREJCIRIK: Neuinterpretation des Dekorativismus
Der Prager Designer Jiri Krejcirik gehört zu einer jungen Generation, die das europäische Kulturerbe nicht wie ein Museumsstück bewahrt, sondern es durch eine zeitgenössische Linse neu interpretiert. In seinen Möbeln, Leuchten und Glasobjekten verweben sich historische Referenzen mit klaren Formen und einer überraschenden Wendung – eine Sprache, die Tradition und Gegenwart in Dialog bringt.
Seine Stücke entstehen in enger Zusammenarbeit mit tschechischen Handwerksbetrieben, in limitierter Auflage und mit einer Präzision, die bis ins kleinste Detail reicht. Charakteristisch sind die fein austarierten Silhouetten, Oberflächen und Strukturen, durch die jedes Objekt zu mehr als einem blossen Funktionsträger wird: zu einer tragbaren Geschichte über Zeit, Material und Kultur.
Ob die skulpturalen Möbelstücke der Nouveau Collection, die den Jugendstil neu interpretieren, oder der Roots Altar, der Erinnerungen und Artefakte wie in einem privaten Ritualraum inszeniert – Krejciriks Arbeiten bewegen sich immer zwischen angewandter Kunst und freier Skulptur. Damit hat er sich einen Platz in führenden internationalen Galerien wie Rossana Orlandi in Mailand oder Galerie Philia in New York erarbeitet.
Was Krejcirik auszeichnet, ist die Freiheit, sich keiner Schublade zu fügen. Seine Designs sind zugleich verspielt und streng, poetisch und präzise, persönlich und doch universell. Genau darin liegt ihre Relevanz – im Mut, das Bekannte neu zu formulieren und Objekte mit bleibender Kraft zu schaffen.
Drei Fragen an Jiri Krejcirik
Gibt es einen Gegenstand, den du jeden Tag benutzt und niemals ersetzen würdest?
Meine Lineale. Ich sammle sie in verschiedenen Ausführungen und Materialien, denn sie sind grundlegende Werkzeuge, die Form und Funktion auf zweckmässigste Weise vereinen.
In einer Zeit, in der alles smart, schnell und skalierbar sein muss – welche Rolle spielt Handwerkskunst?
Für mich ist sie unverzichtbar. In einer von Digitalem übersättigten Welt fühle ich mich zu analogen Formen, zur Materialität und zur physischen Erfahrung von Dingen hingezogen. Dauerhafter Wert entsteht, wenn man eine Vision in ein greifbares Objekt verwandelt.
Was sollte Design nicht sein?
Oberflächlich. Design sollte nicht nur Trends oder Ästhetik hinterherlaufen, sondern einem Zweck dienen, auf seine Umgebung reagieren und eine nachhaltige Wirkung haben.
LARA BOHINC: feminin, sinnlich, radikal
Die in Slowenien geborene und in London tätige Designerin Lara Bohinc gilt als eine der spannendsten Stimmen einer neuen, kosmopolitischen Designgeneration. Nach ihrem Studium an der Universität Ljubljana und am Royal College of Art in London arbeitete sie zunächst für Cartier, bevor sie 2016 ihr eigenes Studio gründete.
In ihren Arbeiten verbindet sie skulpturale Formensprache, feminine Eleganz und radikale Sinnlichkeit. Ihre Objekte bewegen sich zwischen Möbeln, Leuchten, Objekten und interdisziplinären Kooperationen – stets mit einem Fokus auf organische Geometrien und narrative Symbolik. Die Kollektionen von Bohinc Studio wirken wie Übersetzungen von Naturphänomenen, architektonischen Fragmenten und kulturellen Archetypen in zeitgenössisches Design.
Ihre Stücke – von der wolkig anmutenden Anima Collection über die mythisch aufgeladene Serie Fallen Empire (in Kooperation mit Franco Serafini) bis zur handwerklich geprägten Betsy Collection für Uniqka – zeichnen sich durch eine poetische Balance aus Weichheit und Stärke aus. Es sind Möbel, die fast wie Lebewesen wirken, Leuchten, die aus geometrischen Linien Skulpturen formen, und Objekte, die haptische Präsenz mit ikonischer Bildhaftigkeit vereinen.
Bohinc’ Haltung: Design darf emotional sein – verführerisch, sinnlich, charakterstark – und gleichzeitig funktional. Damit besetzt sie ein Feld, das sowohl Sammler:innen als auch ein breiteres Publikum in den Bann zieht.
Drei Fragen an Lara Bohinc
Wenn deine Entwürfe sprechen könnten, was würden sie flüstern und was würden sie schreien?
Sie würden flüstern: «Spiel mit mir.» Und laut rufen: «Ich bin hier!»
Wie könnte ein Objekt aussehen, das wirklich eine gesellschaftliche Kluft überbrückt?
Ganz offen: Ich mache meine Arbeit nicht, um gesellschaftliche Lücken zu schliessen. Und wie so ein verbindendes Objekt aussehen könnte? Ich weiss es leider nicht.
Was würdest du niemals entwerfen und warum?
Sag niemals nie, aber alles mit Kunststoff ist einfach nicht mein Ding.
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