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Wer die komplette Erde kennenlernen möchte, kann trotzdem getrost zu Hause bleiben: die flexibelsten, futuristischsten mobilen Heime für moderne Nomaden.

Alles, was Flügel hat, fliegt. Alles, was Räder hat, fährt. Nichts ist für Weltenbummler mit ausgeprägter Neigung zum Heimweh naheliegender als ein Wohnwagen. Diese Art des Reisens mag angestaubt sein und weckt vor allem zwei Assoziationen – Jungfamilien und Pensionisten –, sie steckt aber voller Innovationen und öffnet Weltenbummlern neue Horizonte. Und das Beste daran: Den Ansprüchen sind wirklich keine Grenzen gesetzt. Wer nicht besonders viel Platz benötigt und allein reist, kommt wahrscheinlich mit dem Konzept des Air Opus schon ganz gut zurecht. Dabei handelt es sich um einen ultraleichten Faltcamper, der in weniger als 90 Sekunden bezugsfertig dasteht – er wird schlicht und einfach aufgeblasen. Verzicht muss deswegen aber nicht geübt werden. In dem Gummiei sind Klimaanlage und Heizung ebenso enthalten wie Fernseher und Herd – und das auf 4,1 Meter Länge. Zusammengefaltet wird der technisierte Windhund ebenso schnell, wie er aufgebaut wurde. Der Wermutstropfen: Ohne Strom geht es nicht. Wer es klein mag, wird auch beim Futurelight-Anhänger von BMW hellhörig werden. Gemeinsam mit der Marke North Face wurde hier ein Camper kreiert, der so leicht ist, dass er von einem E‑Bike gezogen werden kann. Der Clou dabei ist das ultraleichte Gewebe des faltbaren Hängers, das mit jenem einer wasserdichten, atmungsaktiven Oberbekleidung verglichen werden kann. Aber auch hier gilt: Wer darin wohnen will, braucht Strom von aussen. Doch ist das einem echten Nomaden genug?

Autarke Anhänger

Energie braucht das Konzept sCarabane zwar auch, diese erzeugt der Wohnwagen aber selbst durch Wind- und Sonnenenergie. Das futuristische fahrbare Wohnzimmer stammt aus der Feder der Firma Green Cat Technologies und ist ein Sinnbild für autarkes Campen. Das Besondere ist seine Wandlungsfähigkeit. Der Wohnwagen lässt sich innerhalb von 30 Minuten ausklappen und sieht dann fast wie ein Tiny House aus. Wasser- und Stromversorgung sind an Bord, es geht sogar so weit, dass sich der Anhänger um 360 Grad drehen lässt, damit die Solarzellen und das Warmwassersystem immer die perfekte Aus­richtung haben. Zum Sonnenbaden gibt es noch eine Dachterrasse obendrauf. Ein ähnliches Konzept verfolgt der Wohnwagon. Ganz in Holz gehalten, kann der Besitzer wählen, wie autark er wirklich leben möchte. Für Eremiten in spe bietet der Hänger eine Solar-Zentralheizung und auf dem Dach ein autonomes Photovoltaiksystem sowie spezielle Sumpfpflanzen, die für gereinigtes Regenwasser sorgen. Wählen kann der Nomade aus Modellen zwischen 15 und 33 Quadratmetern. Aber auch hier gilt natürlich: Wo keine Sonne, da kein Fernsehen und auch sonst keine funktionierenden elektronischen Geräte. Apropos Elektrik: So mancher verzichtet auf einen Anhänger, weil er ihm schlicht und einfach unheimlich ist – und zwar beim Fahren selbst. Das Einparken ist extrem schwierig, und auch der Blick hinter den Anhänger ist nicht möglich. Dieses Hindernis wird es künftig aber nicht mehr geben. Die Firma Valeo hat ein Kamerasystem auf den Markt gebracht, das Videoaufnahmen vom Heck des Zugfahrzeugs und vom hinteren Ende des Anhängers so übereinanderlegt, dass auf einem Bildschirm im Auto der Eindruck entsteht, der Trailer wäre durchsichtig. Wenn auch diese Technik es nicht schafft, Zweifler zu überzeugen, bleibt nur noch das mobile Haus.

Ein Hauch von sesshaft

Wem der Wohnwagen letztlich also doch zu gefährlich, zu unverbindlich und nomadenhaft ist, der kann sich für eine trendige Hybridlösung entscheiden: das Tiny House oder auch Minihaus genannt, eine Mischung aus Wohnhaus und Wohnwagen. Inzwischen hat sich ein ansehnlicher Markt für diese mobilen Gebäude entwickelt, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind flexibel und schnell aufgestellt, variabel in der Grösse und vollgestopft mit modernster Technik. Hinzu kommen ausgeflippte ­Namen wie Ecocapsule, Coodo, TH2 oder Flying Space. Bleiben wir gleich beim Ecocapsule: Ein aussergewöhnliches Design in Form eines Eis trifft hier auf ein System mit Solarzellen und Windrad zur Stromversorgung sowie ein System zur Nutzung von Regenwasser. Wenn die klimatischen Bedingungen passen, braucht der Besitzer also keine externen Energiequellen mehr. Zugegeben, das Häuschen ist mit rund zehn Quadratmetern sehr kompakt. Rund die doppelte Wohnfläche können Besitzer des Tiny House TH2 ihr Eigen nennen. Auch dieses Haus nutzt recyceltes Regenwasser, punktet aber zusätzlich mit einem Holzofen. Noch mehr Platz bietet Coodo, ein Konzept, das bis zu 96 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung stellt. Das Besondere an dem Kubus mit viel Glas ist, dass er vollkommen recycelbar ist. Ausserdem ist ein Smart-Home-System bereits integriert: Hier funktioniert alles über Wischen am Handy – von der Jalousie bis zur Beleuchtung. In die gleiche Kerbe schlägt das Flying-Space-Konzept: Eine Koopera­tion von Ikea, Gira und Vaillant zeigt, was im mobilen Wohnen möglich ist. Während das schwedische Möbelhaus mit seinen Konzepten für kleinen Wohnraum überzeugt, präsentiert Gira mit seinem Smart-Home-System, dass die Zukunft des Wohnens nur eines braucht: das Internet. 

Da kommt was in Fluss

Das Hausboot ist nichts für die kleine Börse, eher für Personen, die sich in ihrer zweiten Lebenshälfte noch einen kostspieligen Traum erfüllen wollen – solche Menschen werden auch als Greyhoppers bezeichnet und sind gern gesehene Kunden. Zum ­Beispiel beim niederländischen Hersteller ­Waterlovt. Das Unternehmen stellt keine Pritschen mit Schlafkoje auf die Beine, ­sondern produziert private Luxusboote in Form von Häusern. Sie wirken wie schwimmende Luxusapartments. Ähnlich wie bei den modernen Wohnwagen steht auch beim Hausboot das autarke Leben hoch im Kurs. Waterlovt versieht seine Boote mit Photovoltaikanlagen, hat aber zusätzlich noch eine Entsalzungsanlage an Bord und einen speziellen Kocher, der organische Abfälle in Energie umwandelt. Nur die ­Lebensmittel können hier noch nicht selbst angepflanzt werden. Unabhängigkeit können sich Interessierte auch mit dem Hausboot Seascape von BMT Asia Pacific kaufen. Solarenergie ist bei schwimmenden Wohnungen ohnehin schon Standard, hier gibt es aber auch noch eine Kühlung der Räume, die mithilfe des umströmenden Meerwassers funktioniert. Ein besonderes Erlebnis dürfte auch das Schlafzimmer sein – dieses liegt nämlich unterhalb des ­Wasserspiegels und erlaubt faszinierende Blicke in die Unterwasserwelt. Die Technik des Konzepts ist ausgereift und bereit für die Produktion. Aktuell wird jedoch noch auf den ersten Käufer gewartet und darauf gehofft, dass sich die Idee durchsetzen wird. Doch wagen wir einen noch weiteren Blick in die Zukunft: In Italien bastelt das Unternehmen Jet Capsule an einem Hausboot namens UFO 2.0. Die Abkürzung steht für Unidentified Floating Object. Wer das Modell sieht, wird wissen, warum: UFO 2.0 besteht aus einem scheibenförmigen Rumpf mit einem Durchmesser von etwa 20 Metern. In der Mitte dieser Scheibe befinden sich oberhalb und unterhalb jeweils eine Kuppel aus Fiberglas. Wie bei der Seascape ist auch hier das Schlafzimmer im unteren Bereich des Bootes, oben finden sich Küche und Wohnzimmer. Angetrieben wird UFO 2.0 durch Elektromotoren, die wiederum durch Solarpaneele sowie Wind- und Wasserkraftanlagen gespeist werden. Auch eine Entsalzungsanlage ist mit an Bord. Die Technik kennen wir schon von Waterlovt, eine Umsetzung ist also durchaus realistisch, doch auch hier scheitert es aktuell noch an den ersten Auftraggebern. Einfacher wird es aber wohl der Sealander haben. Der Zwitter zwischen Wohnwagen und Boot ist da schon erschwinglicher und wird mehr Publikum anlocken. Vor allem jene Globetrotter, die beim Campen nicht auf ihr Boot verzichten wollen, werden mit dem Modell angesprochen – schliesslich lässt sich mit dem Auto nur entweder ein Wohnwagen oder ein Bootstrailer ziehen. Die Features des Spasscampers sind aber vielfältig: Einerseits lässt sich der Schlafbereich in eine kleine Küche umbauen, andererseits kann das Dach des schwimmenden Campers aufgezogen werden, um Sternenhimmel oder Sonne zu geniessen. Ist der Sealander als Boot unterwegs, wird er von einem Elektromotor angetrieben.

Mondhopper und Co.

Die wahren Nomaden der Zukunft werden nicht jene sein, die die Kontinente der Erde bereisen, es werden jene sein, die den Blauen Planeten verlassen, um auf dessen Trabanten oder gleich auf dem Roten Planeten zu leben. Die europäische Raumfahrtagentur ESA ebenso wie ihr amerikanisches Pendant NASA planen eifrig ein extraterrestrisches Dorf. 

Wie die Bewohner dorthin gelangen sollen, möchte Tesla- und SpaceX-Gründer Elon Musk vorzeigen. Und zwar mit seinem Raumgleiter Starship. Das 55 Meter lange und neun Meter breite Raumschiff soll pro Flug 100 Personen transportieren können. Aufgetankt wird der Koloss im Orbit. So reicht der Treibstoff für einen Hin- und Rückflug zum Mond, bei der Ankunft auf dem Mars ist der Tank jedoch bereits leer. Der Plan: Die Astronauten stellen ihren Treibstoff, ein Gemisch aus Flüssigsauerstoff und ‑methan, vor Ort selbst her. Die benötigten Rohstoffe sind Kohlendioxid, das aus der Marsatmosphäre gewonnen werden kann, und Wasser, das in Form von Eis im Marsboden verborgen sein soll. In Verbindung mit dem Kohlenstoff aus dem CO2 lässt sich daraus Methan synthetisieren – als Hersteller seines eigenen Treibstoffs könnte in diesem Fall sogar das Raumschiff selbst fungieren. 

Das ist aber noch nicht die grösste Herausforderung. Eines der grössten technischen Probleme will Musk nun geklärt haben: Die Hülle der Starship, die beim Eintritt in die Marsatmosphäre enorme Temperaturen aushalten muss, soll eine Chrom-Nickel-Stahl-Mischung sein, die bei der Landung durch mikroskopisch kleine Löcher mit Raketentreibstoff besprüht und so durch Verdunstungskälte geschützt wird. Die Idee ist nicht neu, wurde aber schon in der Vergangenheit wieder verworfen, weil die Gefahr, dass sich einige der Löcher beim Start oder bei der Landung verstopfen, zu gross ist. Es gibt also auch genügend Zweifler an Musks Idee. Bald wird sich zeigen, wer recht behalten wird. Musk möchte nämlich bereits 2021 einsatzfähig sein und bis 2050 eine Kolonie auf dem Roten Planeten installiert haben.

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