Optisch inspirierend: Zu Besuch bei Landschaftsfotograf Patrick Loertscher. Ein Talk über das perfekte Foto und Reisen mit dem Licht.
Beim Spaziergang durch Heiden gehen einem automatisch die Wörter Idylle und Ruhe durch den Kopf. Eingebettet in eine hügelige Landschaft, die zu dieser Jahreszeit in satten Grüntönen erstrahlt, scheint das Leben in der 4‘000-Seelen-Gemeinde im Appenzeller Vorderland einen ganz eigenen Rhythmus zu haben. Die Galerie des bekannten Landschaftsfotografen Patrick Loertscher befindet sich im ersten Stock eines von aussen betrachtet eher unscheinbaren Gebäudes. Der Glanz alter Zeiten ist dennoch spürbar. Der liebevoll restaurierte Holzboden knirscht ganz leicht unter den Füssen, als wolle er den Besucher auf die Jahrhunderte alte Geschichte der ehemaligen Druckerei aufmerksam machen. Die Wände aus einfachem rotem Ziegelstein unterstreichen die schlichte Eleganz des Raumes und überlassen somit die Bühne gänzlich den Werken des Künstlers.
Patrick Loertscher, verfügen Fotografen von Natur aus über einen Jagdinstinkt?
Auf jeden Fall, wobei Neugierde schon auch ein wichtiger Faktor ist. Schon als kleiner Junge war ich stets auf der Suche nach Sujets und durchforschte Magazine nach faszinierenden Bildern.
Eine unglaubliche Schärfe, intensive Farben und Stimmungen sind die Markenzeichen Ihrer Bilder. Wie entsteht das perfekte Foto?
Die meisten Motive plane ich vorgängig, indem ich ein Land auswähle und mich für eine bestimmte Jahreszeit entscheide. Oft reise ich nicht während der Touristensaison oder wenn es sehr heiss ist. Nach einem Gewitter beispielsweise entstehen geniale Stimmungsbilder, die aufgrund spezieller Lichtsituationen im Normalfall nicht zu finden sind. Ungeachtet der Vorbereitungen braucht es dennoch viel Geduld und eine gute Portion Glück, um die speziellen Lichtmomente mit der Kamera einfangen zu können. Der beste Fotograf der Welt findet nichts Spannendes, wenn er in der falschen Jahreszeit reist. Bei täglich blauem Himmel passiert gar nichts. Bei grossen Originalfotografien wie in meinen Ausstellungen sind Abbildungsschärfe und ein optimales Resultat auch auf die gute Kameraqualität zurückzuführen, die eine hohe Wiedergabe ermöglicht. Bei meiner Gallery-Kollektion arbeite ich fast ausschliesslich analog mit einem grossformatigen Diafilm als Basis. Dadurch entstehen bei der Weiterverarbeitung unglaublich scharfe und detailreiche Bilder, die bei einer Kleinbildkamera mit geringer Auflösung nicht möglich sind.
Abgesehen von wenigen Ausnahmen konzentrieren Sie sich weitgehend auf Landschaften. Wie ist die Leidenschaft zur Natur entstanden?
Eigentlich startete ich als Modefotograf und hatte im Alter von 18 Jahren das Glück, dass meine Bilder als grosse Poster in ungefähr 50 verschiedenen Ländern verkauft wurden. Obwohl ich die Arbeit liebte, merkte ich bald, dass die Modewelt langfristig nicht unbedingt die meine war. Gleichzeitig habe ich durch sie die Faszination des Reisens entdeckt. Das Pflänzchen der Liebe und der Bezug zur Natur wurden bereits als Kind genährt, da mein Pflegevater Landschaftsmaler war. Gerade in der heutigen Zeit kehren viele Menschen zurück zur Natur, weil sie merken, welch unglaubliche Kraft in ihr steckt. Als Fotograf fasziniert mich am meisten die Wildnis und die mehr oder weniger Unberührtheit. Ich liebe die riesigen Naturräume der Nationalparks, wie sie beispielsweise in Neuseeland, Australien, Amerika oder Afrika zu finden sind.
Ihr wunderschöner Bildband «Reise mit dem Licht» erzählt von Ihren unzähligen Streifzügen durch die Kontinente. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre erste grosse Reise?
Im Hinblick auf eine mehrjährige Reise unternahmen meine Frau und ich zuerst kürzere Trips, gefolgt von einer viermonatigen Tour durch Asien. Nach unserer Rückkehr sparten wir drei Jahre lang intensiv, um unsere grosse Expedition zu finanzieren, die zweieinhalb Jahre dauerte und gleichzeitig der Beginn meiner Karriere als Landschaftsfotograf war. Die erste, einjährige Etappe führte uns durch Asien, danach waren wir sechs Monate in Neuseeland unterwegs, anschliessend in Melanesien. Die Malaria tropica, die uns beiden fast das Leben kostete, zwang uns jedoch zur Änderung unserer Pläne. Infolge der Krankheit verlängerten wir unseren Aufenthalt in Australien und hatten so gleichzeitig die Chance, das Land intensiv zu bereisen. Zurück in der Schweiz, gründeten wir 1995 den eigenen Kalenderverlag. Damals wie heute verkaufen Fotografen ihre Bilder meistens an Verlage. Durch den Kontakt mit anderen Fotografen während meinen Auslandaufenthalten habe ich festgestellt, dass dies in Australien und Amerika genau anders herum gehandhabt wird. Sprich, die Fotografen haben selbst eigene Verlage. Ich fand diesen Ansatz gut und wollte diese Idee unbedingt übernehmen, obwohl mich zu Beginn alle auslachten. Rückblickend war dies aus unternehmerischer Perspektive der beste Entscheid meines Lebens. Ein spannendes Konzept ausarbeiten und Dinge anders machen als alle anderen, sind oft matchentscheidend für den Erfolg. Nur schöne Fotos machen reicht nicht für ein langfristiges Überleben.
Das heisst, Ihr Konzept besteht aus verschiedenen Standbeinen?
Wir haben Kalender für Privatpersonen und Unternehmen im Angebot und verkaufen Bilder an Agenturen. Hinzu kommt die Galerie, die wir vor 15 Jahren eröffnet haben und die mir sehr viel Freude bereitet. Eine weitere, sehr wichtige Einnahmequelle ist das Buch «Swiss Vision», ein achtsprachiger Bildband, der erstmals 2012 erschienen und im Laufe der Jahre zum meistverkauften Bildband über die Schweiz avanciert ist. Sowohl der Bundesrat als auch die Schweizer Botschaften geben bei ihren Staatsbesuchen jeweils ein Exemplar von «Swiss Vision» ab, sozusagen als offizielles Geschenk der Schweiz. Der Bildband «Reise mit dem Licht» hingegen ist eher ein Liebhaberbuch.
Inwiefern haben Smartphones und die modernen Devices die Welt des Fotografen verändert?
Die Veränderungen sind enorm. Der Beruf des professionellen Fotografen hat nicht mehr denselben Stellenwert und leider werden wir teilweise von den Massen gar nicht mehr ernst genommen. Bis vor ungefähr zehn Jahren musste man über ein bestimmtes Fachwissen verfügen, um gute Bilder machen zu können, da bei analogen Fotos keine Korrekturen angebracht werden konnten. Digitale Fotos hingegen können im Nachhinein auf verschiedenste Arten bis zu einem gewissen Grad korrigiert werden. Die Smartphones der neusten Generation sind unglaublich gut. Durch die unzähligen Filtermöglichkeiten können sogar spezielle Stimmungen via App erzeugt werden. Solche Optimierungslösungen lehne ich persönlich entschieden ab.
Viele wissen vielleicht auch gar nicht mehr, was analog fotografieren bedeutet.
Das auf jeden Fall. Ab und zu unterrichte ich an der Kunstgewerbeschule in St. Gallen und stelle immer wieder fest, dass viele angehende junge Fotografen gar nicht mehr wissen, was ein Dia ist. Ich persönlich finde, dass bei der künstlerischen Landschaftsfotografie das Resultat mit einem Diafilm einfach viel schöner daherkommt. Für Auftrags- und Werbefotografen ist dies viel zu umständlich.
Digitale oder analoge Fotografie. Wann entscheiden Sie sich für die eine oder andere Lösung?
Für die Originalfotografien meiner Galerie arbeite ich fast ausschliesslich analog. Für Kalender, Bücher oder spezielle Kundenwünsche hingegen fotografiere ich digital. Manchmal entscheide ich mich für Letzteres, wenn es technisch unmöglich oder schwierig ist, Landschaftsszenen mit der Analogkamera zu erfassen.
Welchen Teil der Welt hatten Sie noch nicht vor der Linse? Gibt es ein bestimmtes Objekt, das Sie unbedingt fotografieren möchten?
Der ganze russische Raum sowie Japan, Osteuropa und Kanada fehlen mir noch zudem viele Länder in Afrika und Südamerika. Einige Ziele entfallen derzeit aus politischen Gründen, wie beispielsweise die Sahara-Staaten Mali, Algerien und der Tschad oder auch der Iran. Für den Besuch des Letzteren erhielt ich vor zwei Jahren eine offizielle Einladung, aber es war einfach zu gefährlich. Sollte sich die Situation entspannen, würde ich sehr gerne in den Iran reisen.
Wohin führt Sie das nächste Abenteuer?
Meine auf den Spätsommer geplante Norwegenreise zu den Lofoten und nach Senja musste ich wegen der neusten Quarantäneverordnungen kurzfristig annullieren und auf 2021 verschieben. Somit bleibt momentan einfach die Vorfreude auf die einzigartige Landschaft, auf die Aussicht zu den dramatischen Fjorden und Küsten.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Der Jäger des Honiglichts
Leuchtendes Pink im Canyon von Arizona, satte Grüntöne im Regenwald oder blutrote Sanddünen in Australien. Von sanften Tönen ist auf den Bildern von Patrick Loertscher wahrlich nichts zu spüren. Das Markenzeichen des 1965 in Bern geborenen Fotografen sind kräftige Farben und starke Kontraste. Patrick Loertscher zählt zweifelsohne zu den bedeutendsten Landschaftsfotografen unserer Zeit. Mit seinen Panorama- und Mittelformatkameras hat der ausgebildete Lithograf und Druckexperte einen ganz eigenen Weg gefunden, die Wunder unseres Planeten auf Grossformat festzuhalten. 1995 gründete Loertscher einen eigenen Kalenderverlag, gefolgt von der Eröffnung der «Wilderness Gallery» im Jahre 2005. Als erster Schweizer Landschaftsfotograf wurde der im Appenzellerland wohnhafte Loertscher 2015 von der Federation of European Professional Photographers (FEP) mit dem prestigeträchtigen Titel «Master of Photography» ausgezeichnet.
Informationen unter patrickloertscher.com und wer sich beste Aussichten für das Jahr 2021 sichern will, findet die neuen Kalender von Patrick Loertscher in seinem Webshop unter patrickloertscher.com/shop