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Wie eine gewitzte slowenische Autodidaktin ihr Restaurant «Hiša Franko» in einen Hotspot für Geniesser verwandelte.

Smaragdgrün schlängelt sich der Nadiza-Fluss zwischen den Felsen – unter einem besonnten Himmel, dessen flauschige Schäfchenwolken das tiefe Blau noch stärker akzentuieren. Bunt behelmte Kajakfahrer im Wasser, Spaziergänger im verwunschenen Nadelwald. Holz- und bemooste Steinbrücken über dem Fluss und dann linker Hand der Kozjak-Wasserfall – in einer kathedralengleichen Felshöhlung, deren Lichtzauber an die Capri-Grotte gemahnt. In der Tat wartet die Gegend mit den allerschönsten Assoziationen auf; hier im idyllischen slowenischen Kleinstädtchen Kobarid im oberen Soča-Tal, wo Mitteleuropa ebenso sacht wie effektvoll südlich wird.

Hemingways Vermächtnis

Umrahmt von den Gipfeln der Julischen Alpen hängen vor den Fenstern blendend weiss gestrichener Fachwerkhäuschen Blumenkästen voller Begonien, während in den Gärten davor der Oleander blüht. Und so wie der Fluss seit alters her mehrere Namen trägt – Natisone auf Italienisch, Natiso im traditionellen Latein oder Nadison in der Sprache des nahen italienischen Friaul –, so hiess auch das heute in Slowenien gelegene Kobarid einst Karfreit, gehörte seit dem 14. Jahrhundert zu den habsburgischen Besitzungen an der oberen Adria und späterhin zum k.u.k.-Imperium. 1918 wurde der Ort von italienischen Truppen besetzt und fiel an Rom. Während des Zweiten Weltkriegs war die Gegend ein nördlicher Aussenposten der Tito-Partisanen, die dann hier im Mai 1945 – quasi in der Mitte des Rhombus aus Villach, Udine, Ljubljana und Triest – jugoslawisches Staatsgebiet ausriefen. Seit 1991 ist Koba­rid Teil der Republik Slowenien, doch nicht nur der reisefreundliche EU-Status dieses europäischen Kleinods hat den Ort inzwischen sogar zum Geheimtipp für amerikanische Kulturtouristen gemacht. 

«Kulinarische Feinheit wurde hauptsächlich mit den Grossstädten asso­ziiert, während Landküche als schwer und allzu sossenreich galt. Als liesse sich Finesse nicht wunderbar mit Regionalem verbinden!» Ana Roš

Woran liegt’s? Da ist zum einen die Nähe zu den berühmten Kulturstädten in Österreich und Italien, zum anderen die landschaftliche Attraktivität einer Gegend, die bislang vom Massentourismus verschont geblieben ist. Der Nationalpark Triglav und der atemberaubende Krn-Berg lassen das Herz von Naturfreunden (und Hobbyfotografen!) höherschlagen, während unten im Ort das Kobarid-Museum weit mehr bietet als lediglich Lokalhistorie hinter verstaubten Vitrinen. Im Gegenteil: Die mit dem Museumspreis des Europarates ausgezeichnete Stätte hält eine Erinnerung wach, die – auf unserem Kontinent beinahe vergessen – sogar die erwähnten Besucher aus Übersee anzuziehen vermag. Denn ausgerechnet die vermeintlich geschichtsvergessenen Amerikaner wissen so einiges über jene Zeit, als Kobarid noch Karfreit hiess und das Soča‑Tal unter dem italienischen Namen Isonzo sogar international Schlagzeilen gemacht hatte. Just hier nämlich tobte 1917 die sogenannte «Zwölfte Isonzoschlacht» zwischen den Mittelmächten Österreich-Ungarn und Deutschland auf der einen und dem Entente-Staat Italien auf der anderen Seite. Um jene Zeit befand sich unter den italienischen Truppen auch ein junger amerikanischer Rotkreuz-Fahrer: Sein Name war Ernest Hemingway. Zwölf Jahre später hatte er die damaligen Ereignisse in seinem autobiografisch grundierten Roman «In einem anderen Land» verarbeitet, der bald so berühmt wurde, dass sich Hollywood gleich zweimal an eine Verfilmung wagte. Hemingways Alter Ego Frederic Henry wurde zuerst von Gary Cooper gespielt und danach – in Charles Vidors opulenter Romanadaption von 1957 – vom jungen Rock Hudson.

Provinz von Welt

Tempi passati? Keineswegs. Denn nicht nur, dass im Museum in Kobarid die Vergangenheit wachgehalten wird und der «Weg des Friedens» als heutiger Wanderpfad an den ehemaligen Orten des inzwischen so glücklich überwundenen innereuropäischen Zwistes vorbeiführt. «Es war ein hübscher kleiner Ort, und er mochte den hohen Berg, der sich dahinter emporzog», hatte Hemingway einst über Karfreit-Kobarid geschrieben und dabei nicht verschwiegen, welch kulinarische Schätze dieses damals so umkämpfte Naturparadies barg; in der Tat sind sein Protagonist Frederic und dessen Geliebte Catherine gar nicht selten in den Gasthäusern der Gegend zu finden. Ein knappes Jahrhundert nach diesem Geschehen wurde das Landgasthaus «Hiša Franko» zum Schauplatz einer romantischen Begegnung, die freilich undramatischer verlief: Valter Kramar, der 1967 geborene Sohn der damaligen Wirtsleute, lernte hier die fünf Jahre jüngere, ebenfalls aus der Gegend stammende polyglotte Landarzttochter Ana Roš kennen, die sich gerade auf eine Diplomatenlaufbahn in Brüssel vorbereitete. Kurz darauf jedoch waren die beiden bereits ein Paar, das bis dahin eher biedere «Hiša Franko» avancierte bald zum Geheimtipp von Gourmets – und das renommierte britische «Restaurant Magazine» wählte die Ex-Diplomatin und gewitzte Autodidaktin Ana Roš zum «World’s Best Female Chef». 

Doch nicht genug damit: 2016 gab es mit Ana und Valter in der Hauptrolle sogar die Netflix-Dokumentation «Chef’s Table», während das «Hiša Franko» seit 2017 permanent auf der San-Pellegrino-Liste der «World’s 50 Best Restaurants» zu finden ist. Anders gesagt: zu schön und harmonisch, um noch ein Hemingway-Roman zu sein. Doch schreibt nicht nur die Wirklichkeit die besten Geschichten – Ana und Valter, inzwischen längst Eltern zweier Kinder, sorgen auch dafür, dass für die Gäste ihres Hauses sich das Happy End, sprich der unvergessliche Gaumengenuss, bei jedem Mittag- und Abendessen auf jeweils ganz neuartige Weise wiederholt. Und so ist das in einladenden Rottönen gestrichene Haus im Soča‑Tal zu einem Feinschmeckerparadies geworden, in dem steife Prätention keinen Platz hat. Der Baum, der sich im gediegenen Inneren zwischen den weiss gedeckten Tischen erhebt, ist jedenfalls keineswegs naturalistischer Schnickschnack, sondern zeugt von der Naturnähe der hiesigen Küche. Denn wie viel köstliche Ingredienzen birgt die fluss- und waldreiche Gegend hier im nahezu magischen Dreieck zwischen Slowenien, Österreich und Italien!

Hasenleber und Waldhonig

«So manches war während der Jahre in Vergessenheit geraten», erinnert sich Ana Roš, wann immer begeisterte Gäste nach dem Geheimnis ihrer ­Erfolgsgeschichte fragen. «Kulinarische Feinheit wurde hauptsächlich mit den Grossstädten asso­ziiert, während Landküche als schwer und allzu sossenreich galt. Als liesse sich Finesse nicht wunderbar mit Regionalem verbinden!» Dass gerade dies möglich ist, wird im «Hiša Franko» mit jedem servierten Elf-Gänge-Menü immer wieder aufs Neue bewiesen. Wie also wäre es mit folgenden Entrées, frisch und saisonabhängig serviert: Gurkenröllchen mit Hasenleber, mit Waldhonig und fermentierten Rüben gefüllte Lindenblätter und dazu all die nuancierten Köstlichkeiten, zu denen sich Vogelmiere, Mädesüss, Waldmeisterblüten und Borretsch fügen – dabei nicht zu vergessen jener in frischem Heu aromatisierte Teig, in dessen Inneren sich eine gewürzte Kartoffel verbirgt. Wobei es selbstverständlich nicht allein bei Kräutern und Blüten bleibt. In den Hauptgängen schliessen sich an: frittierter Spinat mit Lamm, Kutteln mit Saubohnen, Rinderzunge in einer feinen Rettichkombination, dazu Wildentenbrust mit Holunderbeeren oder Knochenmark-Ravioli mit wildem Honig sowie Wildbirnen, gefüllt mit Haselnüssen und Scampi. Letztere werden ebenso vor Triest gefangen wie der Tintenfisch, der dann im «Hiša Franko» mit Anchovis und gerösteten Paprika serviert wird. Aus unmittelbarer Flussnähe stammt hingegen die Marmorforelle, und auch der beliebte Sauvignon des Jahrgangs 2009 ist ein slowenisches Produkt. Ganz zu schweigen von Valter Kramars Vorliebe für regionalen Käse, besitzt das Restaurant doch nicht nur einen eigenen Wein‑, sondern auch einen Käsekeller. Dort reift der berühmte Tolminc-Käse, hergestellt aus roher Kuhmilch – die Tiere weiden in 2000 Metern Höhe, auch sie denkbar weit entfernt von jeglicher Umweltbelastung.

Vom Tisch ins Bett

Viele der Desserts sind mit Kardamom verfeinert, Mandelmousse umgibt Blutorangen, während der reuelose Genuss schliesslich sogar noch durch ein Extra gesteigert wird: Wer weder auf den köstlichen Wein verzichten will noch ein Taxi ordern möchte, kann auch in einem der liebevoll hergerichteten zehn Gästezimmer nächtigen. Nur um eines bittet Ana Roš, der inzwischen nahezu weltberühmte weibliche Maître: «Frühmorgens keine Anfrage nach Instagram-Selfies, wenn ich gerade vom Joggen komme. Schliesslich bin ich Köchin und kein Supermodel.» Den beglückten Gästen im «Hiša Franko» dürfte es gewiss nicht schwerfallen, diesen bescheidenen Wunsch zu erfüllen – als kleines Dankeschön für einen unvergesslichen Aufenthalt im derart bezirzend harmonischen Kobarid.

Schnell aufgetischt: Tipps rund um einen Besuch bei Ana Roš

Wohnen
Zusätzlich zu den zehn Doppelzimmern im Hiša Franko (ab CHF 132) bieten sich die nahegelegenen Chalets Nebesa (elegante Vier-Sterne-­Chalets mit atemberaubendem Talblick und bequemem Flughafentransfer nach Triest, ab CHF 275nebesa​.si/de) sowie die Tourist Farm Kranjc (gediegen-ruhiges Vier-Sterne-Haus unterhalb des Naturparks Triglav, DZ ab CHF 132turizem​-kranjc​.si) an.

Essen
Gourmetküche im Hiša Franko (Staro selo 1, 5222 Kobarid). Lunch Sa/​So 12.00 – 15.30 Uhr, Dinner Mi – So 17.00 – 21.30 Uhr. Mo/​Di geschlossen. 11-Gänge-Menü CHF 165 (ohne Wein). Obligatorische Reservierungen über hisafranko​.com oder telefonisch unter +38/65 389 41 20

Anreise
Auto: ab Zürich über die A4 in rund 8 Stunden in Kobarid. 
Flüge: mit Lufthansa ab Zürich über München nach Triest ab CHF 150lufthansa​.com

Literaturtipp
Ernest Hemingway: «In einem anderen Land» (Rowohlt Verlag) – autobiografisch inspirierter Roman rund um die Erlebnisse am Isonzo. 

Info
Tipps zum Ort und zur Region im städtischen Tourismuscenter am Trg svobode 16: täglich 9.00 – 20.00 Uhr – soca​-valley​.com

27. September 2021 Zero Waste DE

Alles verwertbar

Nachhaltig und köstlich zugleich – Zero Waste Cooking ist in aller Munde.

Die Schweizer werfen jährlich rund eine Million Tonnen Lebensmittelabfälle weg. Mit dabei sind leider allzu oft unverarbeitete Lebensmittel, Obst- und Gemüseschalen oder Fleischabschnitte, aus denen eigentlich noch Köstliches gezaubert werden könnte. Neben einem gut geplanten Einkauf lässt sich Lebensmittelverschwendung auch mittels durchdachter Rezepte vermeiden. Für alle, die wissen wollen, was aus Zitronenschalen, überreifen Früchten oder Gemüse mit Stumpf und Stiel gezaubert werden kann und wie man dabei auch noch die Welt rettet, den nehmen Giovanna Torrico und Amelia Wasiliev mit auf eine kulinarische Reise.

Giovanna Torrico und Amelia Wasiliev
Clever kochen – null Abfall. 100 Rezepte für eine Küche ohne Verschwendung
AT Verlag

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25. März 2022 Gütsch 02

Bergrestaurant Gütsch

Elegante, klare Küche mit Blick auf die Zentralalpen.

Nachdem er über Jahrzehnte die Gäste in Saas Fee bekocht hat, ist Markus Neff, der zum Schweizer Koch des Jahres 2007 gewählt worden war, nun im Bergrestaurant Gütsch in Andermatt magisch-kulinarisch tätig. Seine bewährten Partner Maren Müller, Charlie Neumüller und David Gruss hat er kurzerhand mitgebracht und kocht mit viel Respekt für das Produkt. Wie wäre es z.B. mit einer wärmenden Kartoffel-Lauch-Velouté mit Périgordtrüffelflocken als Entree, anschliessend hausgemachten Tagliatelle mit Muscheln, Langoustines und einem aromatischen Fond aus Schweizer Safran und zum Abschluss einer Crème Brulée mit Tonka und Orange? Wer danach erst noch rasten anstatt zurück auf die Piste oder zum Wandern will, kann einen Blick auf die gut sortierte Weinkarte werfen und bei einem Gläschen den beeindruckenden Ausblick geniessen. 

guetsch​.com

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01. Mai 2022 Ornellaia 08

Ristorante Ornellaia

Kulinarischer Kurztrip nach Italien im Herzen von Zürich.

Sie sind das kulinarische Traum-Trio von Zürich: Gastgeber Antonio Colaianni, Küchenchef Antonino Alampi und Patissière Felicia Ludwig. Gemeinsam bereiten sie den Gästen im Ristorante Ornellaia ein Fest für den Gaumen und das Gemüt. Entstanden ist das Restaurant als Gemeinschaftswerk des Spitzenweingutes Ornellaia aus dem toskanischen Bolgheri und der Zürcher Gastronomie-Familie Bindella. Heute ist es das Zuhause für Fachkompetenz in Sachen Wein und Gastfreundschaft. Bemerkenswert konstant arbeiten Colaianni und Alampi schon seit Jahren zusammen und kredenzen im Ornellaia technische und kreative Vielseitigkeit. Vom modern interpretierten Vitello tonnato über Orecchiette nach einem Rezept von Mamma Maria Colaianni bis hin zum beliebten Eiskaffee, den GaultMillau-«Patissière des Jahres 2022» Felicia Ludwig immer wieder aufs Neue spannend variiert. 

ristorante​-ornellaia​.ch

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