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Im Februar 2020 bestieg er den winterlichen Mount Everest, in Zukunft steht auch der Mars auf dem Kletterprogramm: Solo-Bergsteiger Jost Kobusch über seinen Drang nach oben.

Allein auf dem höchsten Punkt eines Berges zu stehen und trotz dünner Luft, brennender Oberschenkel und müder Knochen ein Gefühl der Euphorie zu verspüren? Für wenige Menschen ist dies der Gipfel ihrer Träume. Jost Kobusch ist einer von ihnen. In der Schule musste sich der heute 27-Jährige für eine Arbeitsgemeinschaft entscheiden und wählte – unter anderem auch, um seine Höhenangst zu besiegen – die Kletter-AG. Bald war das Sportklettern nicht genug, und der Berg rief. Zu Hause im eher flachen Norddeutschland war es für ihn schwierig, einen passenden Seilpartner zu finden. Also machte er aus der Not eine Tugend und spezialisierte sich auf das Solo-Bergsteigen. Dabei war er nicht nur auf dem Weg, physische Gipfel zu erklimmen, sondern auch geistig seine Perspektive zu ändern. 

Aufstieg für Anfänger

Hatte er zunächst noch den Plan im Kopf, Medizin zu studieren, um neben seiner Kletterleidenschaft auch einen «richti­gen Beruf» zu erlernen, änderte sich sein Mindset sehr bald, als er Sponsoren gewinnen und immer neue Projekte planen konnte: «Früher dachte ich immer, man muss gewisse Dinge tun, die keinen Spass machen, damit man die Dinge tun kann, die einem Spass machen. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass es nicht so ist. Ich versuche jetzt einfach, alles so zu machen, dass ich nichts bereue.» Um bei der Besteigung eines Berges zwischen 6000 und 8848 Metern Höhe nichts zu bereuen, ist sorgfältige Planung unerlässlich – gerade bei einer so minimalistischen und nachhaltigen Arbeitsweise wie jener von Jost Kobusch. Wer wie er allein unterwegs ist, kann nur begrenzt Utensilien und Hilfsmittel mit sich herumtragen. Zudem setzt der Solo-Bergsteiger darauf, den Berg, den er besteigt, möglichst ursprünglich zurückzulassen und seinen Fussabdruck so klein wie möglich zu halten. Auf manche Touren bereiten sich Bergsteiger einige Monate lang vor, auf andere ein ganzes Leben, denn die Devise lautet nun mal: learning by ­doing. Der erste grosse Aufstieg auf den Mount Kenya im Alter von 18 Jahren war eine Aneinanderreihung von Dingen, die ein Bergsteiger nicht machen sollte. Jost ­Kobusch litt aufgrund eines zu schnellen Aufstiegs unter starken Symptomen der Höhenkrankheit, die sich in Form von Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Übelkeit äussert. Hinzu kamen noch ein starker Sonnenbrand im Gesicht und schlechtes Wetter, was den finalen Aufstieg zum Gipfel unmöglich machte. 

«Am Berg bin ich allein, aber nie einsam.» Jost Kobusch

Grosse Pläne

«Objektiv betrachtet war meine erste Bergbesteigung ein echtes Desaster, aber ich habe unglaublich viel gelernt», analysiert Jost Kobusch. Viel über den schmalen Grat von Leben und Tod beim Bergsteigen hat er erfahren, als er 2015 im Basislager des Mount Everest in Vorbereitung auf die Besteigung des Lhotse von einer Lawine überrascht wurde, die 22 andere Bergsteiger das Leben kostete. Diese Tragödie hat ihn nicht eingeschüchtert, und ein Jahr später gelang ihm als jüngstem deutschem Bergsteiger der Gipfeltriumph am Annapurna, einem der gefährlichsten Achttausender. Wer sich bereits einmal dem Anblick einer beeindruckenden Berglandschaft hingegeben und sich seiner kleinen Rolle auf der Welt bewusst geworden ist, fragt sich: Fühlt sich ein Solo-Bergsteiger denn nicht manchmal einsam? Für Jost Kobusch lässt sich diese Frage ganz klar beantworten: «Am Berg bin ich allein, aber nie einsam.» Am Berg lebt er ganz im Moment, er konzentriert sich auf die grundlegenden Dinge wie Nahrung, Flüssigkeitszufuhr und behält das Wetter im Blick. 

All das spielte auch bei seinem letzten und bisher grössten Abenteuer zu dem er im September 2019 aufgebrochen ist, eine wesentliche Rolle: einer Solo-Winter-Besteigung des Mount Everest ohne Sauerstoff. Durch die schwierigen Bedingungen sah er seine Chancen den Gipfel zu erreichen als sehr gering. Den Gipfel hat er nicht erreicht dafür aber eine beeindruckende Höhe von 7360 Metern. Für viele ist die Besteigung des Mount Everest das grosse Lebensziel, doch Jost Kobusch, der seinen Namen mit dem Slogan «Jost go for it» zum Programm gemacht hat, wäre nicht, wer er ist, würde er sich seine Ziele nicht galaktisch hoch setzen – im wahrsten Sinn des Wortes. Sein Traum ist es, den höchsten Berg unseres Sonnensystems, den 26400 Meter hohen Olympus Mons auf dem Mars, zu erklimmen. Dazu kann ein Laie auf gemütlicher Meereshöhe wohl nur ­sagen: Nur die, die gross träumen, werden nach den Sternen greifen.

jostkobusch​.com