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Mit ihren liebevoll gestalteten Figuren giesst Babette Maeder tierische Helden in Porzellan. 

Ob Babette Maeder auf Reisen geht, eine Wanderung unternimmt oder eine Ausstellung besucht, sie hat stets einen besonderen Begleiter: einen griesgrämigen Dachs, der auf ihrem Insta­gram-Account das Herz ihrer Follower ­höherschlagen lässt. Er ist allerdings lediglich 120 Millimeter gross, trägt eine graue Hose und einen Norweger-Pullover und ist eine von vielen tierischen Porzellanfiguren, die Babette Maeder in ihrem Studio in ­Zürich kreiert. Heute tummeln sich in ­ihrem Atelier Dackel, die picknicken, Tauben, die sich schick gemacht haben, träumende Vögelchen und entspannte Frösche. Ein entzückendes Sammelsurium an Tieren, Farben und Formen. Porzellan hat es ­Babette Maeder wahrlich angetan, dabei hat sie am Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn meist mit einem ganz anderen Material gearbeitet: auf Papier. 

Kinderfreuden & Chips-Packungen

Zeichnen und dreidimensionales Gestalten begleiten die Künstlerin bereits seit ihrer frühesten Kindheit und sind für sie bis heute jene Sprache, in der sie sich ausdrücken und ihrer Fantasie freien Lauf lassen kann. «Schon als Kind habe ich mit Freude kleine Bücher illustriert und mit Ton, Papier, Holz oder Stoff figurativ gearbeitet», erzählt ­Babette Maeder. Sie entschloss sich schliesslich, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen, und absolvierte nach dem Besuch eines gestalterischen Vorkurses die Grafikfachklasse an der Schule für Gestaltung in Zürich. Als Grafikerin ist man gefordert, jede nur erdenkliche Aufgabe aus ganz unterschiedlichen Branchen zu lösen – krea­tiv, aber auch immer der Sprache und Corporate Identity des Auftraggebers entsprechend. Manchmal ein herausfordernder Drahtseilakt. So erging es auch Babette Maeder in ihrem ersten Job nach dem Studium in einem Grafik-Atelier in Zürich. Ihr wurde alles, was illustrativ zu lösen war, auf den Tisch gelegt. Das Entwickeln von Maskottchen, grosse Ladendisplays oder eine Packungslinie für den grössten Chips-Hersteller der Schweiz – alles war in den vier Jahren dabei, in denen Babette Maeder diesem Job nachging. Nach dieser lehrreichen Zeit machte sie sich selbstständig und begann für Zeitungen, Magazine sowie den Lehrmittelverlag Zürich zu arbei­ten und illustrierte ihr erstes Kinderbuch für den Diogenes Verlag. Acht weitere Kinderbücher folgten ebenso wie die Arbeit an 3‑D-Illustrationen für die «Neue Zürcher Zeitung». Die Arbeit als Illustratorin für Zeitungen, Bücher und andere schriftliche Werke ist eine kollaborative. Figuren, die andere sich ausgedacht haben, werden Gesichter verliehen. Momente aus Büchern, die sich jeder von uns beim Lesen selbst im Kopf ausmalt, werden mit Stift zu Papier gebracht und koloriert. Dabei ist der Radiergummi (heutzutage meist auch in digitaler Form) der beste Freund. Es wird skizziert, ausgebessert, verworfen, neu gezeichnet, überarbeitet. Die Arbeit mit Porzellan ist da schon etwas anders. Auch hier macht Babette Maeder Skizzen und sammelt Ideen, aber ausbessern ist hier nicht ganz so einfach, und sie arbeitet allein, ganz nach ihren Vorstellungen. 

Starallüren & Glanzmomente

Das erste Mal mit Porzellan in Berührung kam Babette Maeder im Jahr 2008, als eine befreundete Keramikerin sie fragte, ob sie Lust hätte, mit ihr einen Kinderteller zu kreieren. Sie sagte zu, und es sollte eine wunderbare und wegweisende Zusammenarbeit werden. Die Keramikerin drehte die Teller und Babette Maeder modellierte kleine Hamster, die auf einem Hügel sitzen und eine Erbse essen. Aus dem entzückenden Motiv wurden 200 Hamster-Teller in limitierter Auflage. Babette Maeder wusste, dass sie mit diesem besonderen Material unbedingt weiterarbeiten wollte. Wer eine Porzellanfigur herstellen möchte, muss sich Wissen aus all den unterschiedlichen Arbeitsbereichen aneignen, die in einer klassischen Porzellanmanufaktur zu finden sind. Das Formen des Modells, das Bauen von mehrteiligen Gipsformen, die Giesstechnik, das Zusammenfügen der einzelnen Teile zu einer Figur, Glasieren, Aufglasurmalerei und die Brenntechnik. Babette Maeder besuchte ein paar Workshops in Bern, Berlin und Wien, doch grösstenteils eignete sie sich ihr fundiertes Wissen autodidaktisch an: «Ich habe immer Wege gesucht, mich auszu­drücken, und der Wille und die Leidenschaft haben mir die Energie gegeben, auszuprobieren, zu lernen, Fehler zu machen und immer wieder neu zu beginnen.» Von den ersten rudimentären Giessversuchen bis zu dem Moment, als sie zum ersten Mal eine von ihr entworfene Hundefigur fertiggestellt in Händen halten konnte, vergingen drei Jahre. Ein steiniger Weg. Es heisst, Porzellan sei eine Diva, was auch Babette Maeder durchaus bestätigt. Doch wie mit allem, was schwierig ist, wächst die Liebe, je mehr man sich mit der Materie auseinandersetzt, versucht, die Eigenheiten zu verstehen, und dazulernt. Besonders das Wechselspiel der Aggregatzustände ist bei Porzellan faszinierend: Im weichen Zustand ist es fragil und stabil zugleich. Nach dem Brennen ist es stark und verdichtet, mit einem eleganten, unwiderstehlichen Glanz. 

Skizzenarbeit & Brennvorgang

Die Inspiration für ihre zauberhaften Figuren, die an Helden aus Kinderbüchern erinnern, zieht Babette Maeder aus dem täglichen Leben. Kleine Gesten, Begegnungen in der Natur, Stimmungen und Situationen. Aus ihnen entstehen schnell dahingezeichnete Skizzen auf Servietten oder den Rückseiten von Quittungen – und schon startet ein neues Projekt. Gerade das ist einer der Aspekte, den Babette Maeder bei der Gestaltung von Porzellanfiguren so spannend findet. So sehr sie es mag, fertige Texte mit Bildern zu illustrieren, so befreiend ist es für sie, dass ihre Figuren keine Geschichten brauchen, um welche zu erzählen. Zudem sehen ebendiese Geschichten bei jedem Betrachter anders aus. Ein schöner Gedanke. Ist die erste Skizze gezeichnet, macht sich Babette Maeder in ihrem Studio daran, die Figur in Ton zu modellieren. Dabei muss sie diese etwas grösser gestalten, als sie am Schluss sein soll, denn durch das Trocknen und Brennen schwindet das Material um rund 18 Prozent. Danach wird das Modell in Einzelteile zerlegt, sobald es lederhart ist. Als lederhart bezeichnet man einen Ton, der nicht mehr plastisch verformbar, aber auch noch nicht trocken und brüchig ist. Von den Einzel­teilen werden Gipsformen genommen. Bei komplexeren Figuren wie dem «Mann mit Pavian» können es schon mal neun Formen sein. Mit flüssiger Porzellanmasse werden die einzelnen Formen ausgegossen und wieder zu einem Ganzen zusammengefügt. Dabei müssen die Nahtstellen sorgfältig mit Schlicker, also einer flüssig angesetzten Porzellanmischung, verarbeitet werden, damit nach dem späteren Glasurbrand keine Risse sichtbar werden. Nun werden die Figuren abgedeckt und trocknen für ein paar Tage. Nach dem anschliessenden Schrühbrand bei 1020 Grad werden die Figuren bemalt und glasiert, bevor sie für den Glasurbrand bei 1240 Grad noch einmal in den Brennofen kommen. Zum Schluss geht es an die Details. Dabei werden den Figuren Augen, Backen oder eine Krawatte verpasst. Nachdem die Figuren bei 800 Grad, dem sogenannten Aufglasurbrand, noch einmal im Ofen waren, hält Babette Maeder die fertige Figur in Händen. Eine Figur mit einer ganz eigenen feinen Ästhetik, einer gewissen Feinheit und Linearität, die die zeichnerische Herkunft ihrer Schöpferin vermuten lässt. Liebevolle Details und die sanfte Stimmung, die die Figuren ausstrahlen, machen sie zu Schmuckstücken, bei denen man als Besitzer sicher auch nach längerer Zeit immer wieder etwas Neues entdecken kann. 

Hundeliebe & Zukunftsmusik

Meist arbeitet Babette Maeder nach eigenen Ideen, doch ab und zu tritt auch ein Kunde an sie heran, um seine Fellnase in Porzellan festzuhalten. Einen Whippet und einen Foxterrier hat die Künstlerin schon in Porzellan gegossen und glücklichen Kunden überreicht. «Eine besondere Erfahrung, da man bis zum Schluss nicht weiss, ob man den Vorstellungen des Kunden ­gerecht wird», erzählt Babette Maeder. Die Künstlerin hat auf jeden Fall den Geschmack vieler junger Menschen getroffen, die Porzellanfiguren nun nicht mehr als verstaubtes Deko-Objekt in Grossmutters Glasvitrine wahrnehmen. Auch dass ihre Figuren gleichermassen bei Frauen und Männern ankommen, freut sie sehr. Interagieren kann sie mit ihren Kunden und Fans über die Social-Media-Plattform Instagram, wo Interessierte auch einen Blick hinter die Kulissen werfen und den Figuren beim Entstehen zusehen können. Und es wird noch einiges zu sehen geben. Babette Maeder fühlt sich bei dem Material Por­zellan «angekommen». Bei der Arbeit mit Porzellan gibt es immer etwas Neues zu lernen, eine neue Feinheit zu entdecken, eine neue Geschichte zu erzählen. Wer sie auf diesem Weg mit Sicherheit begleitet, steht jetzt bereits fest: ein griesgrämiger Dachs in einem Norweger-Pullover. 

Teure Sammelleidenschaft – Vom Museum bis zur Glasvitrine

Porzellanfiguren sind seit jeher beliebte Sammlerstücke – sowohl im musealen als auch im privaten Bereich. Das grösste Porzellanmuseum Europas ist der Museumskomplex Porzellanikon in Selb und Hohenberg an der Eger in Deutschland. Auf insgesamt 11000 Quadratmeter Ausstellungsfläche finden sich hier das Deutsche Porzellan Museum, das Porzellanikon Selb, das Europäische Industrie Museum für Porzellan, das Europäische Museum der Technischen Keramik und das Rosenthal ­Museum. Bei den grossen Auktionshäusern in der Schweiz sowie in Deutschland und Österreich gehen zudem regelmässig Porzellanfiguren zu Rekordpreisen in den Besitz privater Sammler über. So konnte beispielsweise ein Haubentaucher, den der bedeutende Modelleur Johann Joachim Kändler 1734 in der Meissner Porzellanmanufaktur für das Japanische Palais von August dem Starken gestaltete, bei einer Auktion bei Koller in Zürich 2014 stolze 120000 CHF erzielen. 

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