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Bio ist nicht genug. Dasha Tsapenko lässt Textilien wachsen, statt sie zu produzieren – mithilfe von Myzel, Pflanzenfasern und bakteriellen Prozessen. Ihr Atelier ist Labor, Werkstatt und Versuchsfeld zugleich. Ihr Design beschreibt die gebürtige Ukrainerin so: radikal nachhaltig, kompromisslos ästhetisch – und oft auch poetisch

Dasha Tsapenko ist nicht nur Designerin – sie ist Pionierin eines neuen Designverständnisses. In ihrem Atelier im niederländischen Den Haag entwickelt sie auf Basis lebender Organismen wie Pilzen, Pflanzen und Bakterien tragbare Skulpturen, Textilien und Objekte, die nicht nur nachhaltige Alternativen zur konventionellen Produktion aufzeigen, sondern auch unser Verhältnis zur Natur hinterfragen. Ihre Maxime: form follows spores – nicht die Form gibt den Ton an, sondern der Pilz als lebender Organismus.

Tsapenko studierte zunächst Architektur in Kiew, bevor sie ihre interdisziplinäre Forschung in Eindhoven und an der renommierten Jan van Eyck Academie in Maastricht vertiefte. Schon früh begann sie, mit biologischen Prozessen zu experimentieren. Der Durchbruch kam 2020 mit dem Bio Art & Design Award, der es ihr ermöglichte, mit dem Mikrobiologen Han Wösten von der Universität Utrecht zusammenzuarbeiten. Das daraus entstandene Projekt FUR_​tilize“ wurde zur Grundlage ihrer heutigen Arbeit mit Myzel.

Portrait Dasha Tsapenko Cr Maria Kitaeva
Maria Kitaeva ©
Bio-Designerin Dasha Tsapenko im Atelier – zwischen Forschung und Faden, Labor und Handwerk.

Ökosysteme aus Textil

Tsapenkos Projekte bewegen sich zwischen Biodesign, Textilkunst und spekulativer Forschung. Mit der Zuhilfenahme von Myzel lässt sie Stoffe «wachsen» – aus Hanf, Flachs oder lokalen Abfallprodukten. Die Fasern werden gefärbt, gewebt oder gestrickt, mit Sporen geimpft und in kontrollierter Umgebung zu neuen textilen Strukturen verarbeitet. Entscheidend ist dabei nicht nur die Technik, sondern auch die Haltung: «Ich sehe meine Rolle eher als Begleiterin eines Prozesses, der zwischen Material, Organismus und Umgebung stattfindet», sagt sie.

Derzeit arbeitet die Designerin an einer Kollektion biobasierter Wohntextilien, bei denen Myzel als Beschichtung, Trägermaterial oder Bindemittel eingesetzt wird. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Farbe: Die Fasern werden mit pflanzlichen Pigmenten gefärbt und anschliessend mit Sporen kultiviert. Das Ergebnis sind lebendige Vorhänge und textile Oberflächen, die nicht nur funktional, sondern auch zutiefst organisch wirken.

Myzel als Statement

Die Entwürfe sind bewusst roh, verletzlich und voller Leben – wie die Gunya-Kimonos und Netzvorhänge, die sie für das ukrainische Restaurant Grybova Hata in den Karpaten entworfen hat. Dort trennen die Pilztextilien offene Küchenbereiche vom Gastraum, sechs überdimensionale Umhänge erinnern an traditionelle Schäfermäntel – und bestehen komplett aus gewachsenem Myzel. Auch das Restaurant-Team war in den Entstehungsprozess eingebunden und kann den Gästen Herkunft und Herstellung der Stücke damit erklären.

«Design ist für mich ein Dialog mit der Natur. Es geht nicht darum, etwas zu formen – sondern zuzuhören, zu begleiten und gemeinsam wachsen zu lassen.» Dasha Tsapenko

Ein weiteres Highlight: Für Steinbeisser liess Tsapenko die längste je produzierte Tischdecke aus Myzel wachsen – ein 20 Meter langer Myzel-Textil-Organismus, der beim Jubiläumsdinner für biologisch-dynamische Landwirtschaft am Goetheanum in Dornach als lebendiger Mittelpunkt der Tafel fungierte.


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