Eine kleine Tour zu Geschichten und Orten des Geniessens.
In diesem Jahr widerfuhr dem Schweizer Wein bereits im Januar eine grosse Ehre. Anlässlich des 100. Geburtstages von Friedrich Dürrenmatt diskutierten Fans und Leserschaft noch einmal leidenschaftlich eine Frage des Geschmacks. Welcher Wein nämlich mundet besser: der von Dürrenmatts nicht minder berühmten Freund und Berufskollegen Max Frisch bevorzugte Blauburgunder, der um 1630 von französischen Söldnern aus der Bourgogne eingeführt worden war – oder der «echt» französische Bordeaux, von dem der Autor der «Physiker» einen legendären ganzen Keller voll hatte?
Jeder mag darauf seine eigene Antwort finden, sicher ist jedoch: Schweizer Wein ist derart Spitzenklasse, dass ihn bereits der französische Philosoph Voltaire in seinem Genfer Exil überaus zu schätzen wusste. Die edelste Sorte ist in der Romandie natürlich der Chasselas, die älteste Kulturrebe des Landes und als früh reifende Traube von einem derart sublim-eleganten Aroma, dass der Wein mitunter bereits als Aperitif kredenzt und genossen wird. Das renommierte österreichische Weinjournal «Falstaff» preist deshalb besonders den Spitzenklasse-Sommelier Jérôme Aké Béda, der in seiner «Auberge de l’Onde», idyllisch gelegen zwischen Lausanne und Montreux, direkt am Ufer des Genfersees, alle Qualitätsweine der Gegend auf Lager hat. Der gewitzte Mann, der vor über drei Jahrzehnten aus Côte d’Ivoire in die Schweiz kam, hat dafür sogar einen Slogan gefunden: «Make Chasselas great again!» Denn Tatsache ist nun einmal, dass der aussergewöhnlich feine Geschmack, den diese Rebsorte schenkt, durchaus auch Brachial-Werbung verdient.
Eine andere Strategie wurde dagegen im renommierten Weingut «Domaine de la Rochette» von Jacques Tatasciore gewählt, das sich im Örtchen Cressier befindet, in der Mitte zwischen Neuenburgersee und Bielersee. Dort, in den blumengeschmückten Winzerdörfern des «Drei-Seen-Lands», ist man stolz darauf, von den westlich gelegenen, steilen Kalksteinhängen des Jura vor kalten Winden geschützt zu sein – und betrachtet den weissen Chasselas ebenso wie den dortigen Pinot noir fast schon als Geheimtipp. Als einen solchen – und dazu noch als «Qualitätsfanatiker» – preist der Gault Millau deshalb auch den Ausnahme-Winzer Jacques Tatasciore, dessen Reben bereits seit siebzig Jahren Spitzen-Qualität liefern und im obersten Preissegment angesiedelt sind. Geradezu Unikate, sind diese Weine am besten vor Ort zu bestellen, wobei hier zumindest die Telefonnummer verraten sei:
+41 (0)32 757 12 57
Im Schutz der Bündner Alpen gedeihen derweilen im Rheintal bei Chur auf kalkreichen Schieferböden Chardonnay, Pinot noir und Müller-Thurgau. Freilich gibt es auch dort eine Rarität, von der Kenner in den höchsten Tönen schwärmen – Completer genannt. Das Wort entstammt dem lateinischen «Completorium» und bezeichnet das letzte Tagesgebet in Kirchen und Klöstern. War dieses vollbracht, liess sich die höhere Geistlichkeit den Weisswein aus einer raren, regionsspezifischen Rebensorte munden – eben den Completer. Markant und gleichzeitig becircend und harmonisch das Aroma, wird die Tradition dieses Weins heute vor allem im Weingut von Roman Hermann in Fläsch gepflegt. War doch bereits der Urgrossvater des 1987 geborenen Winzers ein ebenso lokal verwurzelter wie experimentierfreudiger Weinbauer. Im lauschig am Bergrand gelegenen Gut des Enkels wird inzwischen deshalb sogar ein Degustations-Menü angeboten – quasi als eine Art kulinarisch-säkulares Tagesgebet.
Sobald die Pandemie-bedingten Reisebeschränkungen aufgehoben sind, erwarten Schweizer und Schweiz-Reisende deshalb zahlreiche Entdeckungen. Und wer weiss: Bei einem solch guten Glas liesse sich auch trefflich darüber sinnieren, was Voltaire, Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch wohl zur heutigen Qualität der hiesigen Weine sagen würden. Höchst wahrscheinlich würden auch sie in Superlativen schwelgen.

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