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Vom Genie zum Rechner – künstliche Intelligenz stellt unseren Kunstbegriff auf den Kopf.

Es sind die Kreativität und die Individualität, die unser Dasein ausmachen. Es ist die Kunst, die den Menschen vom Tier unterscheidet, die unserem Schaffen einen Sinn gibt und unsere Einzigartigkeit auf diesem Planeten ausmacht. Niemand sonst ist dazu imstande. Oder etwa doch? Die künstliche Intelligenz (KI) straft diese Annahmen Lüge. Der Begriff KI ist seit Langem kein Fremdwort mehr. KI hat längst unseren Alltag erobert, wir finden sie in Küchengeräten, Staubsaugern, Handys und Autos. Und wer nun denkt, die KI sei auch nur so intelligent wie das menschliche Gehirn, das sie hervorgebracht hat, irrt. In vielen Dingen 
ist sie uns nämlich um Meilen voraus. Wenn Computer über Schachweltmeister triumphieren, Autos lenken, unsere Gefühlslage erkennen und mit uns kommunizieren, wird die Überlegenheit des Menschen relativiert. Warum sollte es sich in der Kunst anders verhalten? Es war letztlich nur eine Frage der Zeit, bis die KI auch in die Welt der Kulturschaffenden eindringt und versucht, sich ihren Platz zu erkämpfen. Sie ist quasi die Nachfahrin von Picasso, Schubert und Co. Sie ist aber nicht nur die Weiterentwicklung, sie ist gleichzeitig auch die Lehrerin der schönen Dinge.

Mehr als ein Spass

Es war der Digitalriese Google, der den Menschen nicht nur einen Zeitvertreib, sondern ein wenig mehr Talent beim Malen verschaffen wollte, als er das Programm AutoDraw erschuf. Darin werden Anfänger in der Kunst des Zeichnens unterstützt. Denn die dahinterstehende KI verwandelt laienhafte Kritzeleien in echte Bilder – von der Blume bis zum Socken. Die Ergebnisse erinnern an einen Comic, und es gibt sicherlich bahnbrechendere Erfindungen, doch es zeigt bereits, was im Kleinen alles möglich ist. Mehr Spass als ernst zu nehmende Kunst bietet auch die App Wombo Dream, die basierend auf einer Texteingabe von maximal 100 Zeichen ein passendes Bild generiert. Die Ergebnisse können sich sehen lassen und sorgen jedes Mal aufs Neue für eine Überraschung. Weit mehr Aufsehen hat 2018 wohl ein KI-Gemälde der Künstlergruppe Obvious Art erregt, als es im Auktionshaus Christie’s für umgerechnet CHF 434900 den Besitzer wechselte. Das Besondere daran: Ursprünglich wurde das Werk namens «Edmond de Belamy» von den Experten auf rund CHF 10000 geschätzt.

Kritiker werden anmerken, dass ein hoher Sachwert noch kein Beleg für echte Kunst ist, und sie mögen damit auch recht haben. Dass KI-Kunst im Mainstream angekommen und somit ein Teil unserer Gesellschaft geworden ist, belegt diese durchaus einzigartige Versteigerung aber allemal. Massentauglich war auch die Modekollektion des schwedischen Labels Acne Studios, das gemeinsam mit dem KI-Künstler Ronan Barrot einige Jahre lang seine Designs entwickelt hat. Ein neuronales Netzwerk sorgte dabei dafür, neue Muster und Bilder zu entwerfen, die dann auf die Kleidungsstücke gedruckt wurden. Auch der in diesem Jahr stattgefundene MWC, der Mobile World Congress, der in Barcelona über die Bühne ging, setzte für seine Besucher auf KI-Kunstwerke und zeigte somit die Relevanz dieser Kunstrichtung für die Gesellschaft. So präsentierte der Medienkünstler Refik Anadol, der vor allem für seine KI-Kunst bekannt geworden ist, auf der Veranstaltung digitale Datenskulpturen, die für farbenfrohe Effekte sorgten. Publikumsmagnet aber war sicherlich jene KI, die dank ihrer Algorithmen Hasskommentare, die in sozialen Medien leider immer präsenter werden, auf einem gewaltigen Screen sichtbar werden liess. Unter dem Motto #Unhate wurden diese giftigen Postings dann als ein visuelles und akustisches Element dargestellt. Und auch die klassische Kunstszene wird von KI revolutioniert. Prominentes Beispiel: Die durch ein Feuer verloren gegangenen Kunstwerke des berühmten österreichischen Malers Gustav Klimt können neuerdings wieder in Farbe erlebt werden. Möglich machen das ein Expertenteam des Belvedere und die Rechenpower des Tech-Giganten Google.

Endlich vollendet

Künstliche Intelligenz ist aber nicht nur imstande, zu malen oder Worte in Bilder zu verwandeln. Auch die Musikindustrie hat die KI längst für sich entdeckt. Einer, der beides kann, ist beispielsweise Ai-Da, der erste ultrarealistische Roboterkünstler der Welt. Eigentlich müsste man in der weiblichen Form sprechen, Ai-Da ist nämlich eine Roboterfrau, quasi eine Androidin, die mit ihren Werken bereits eine eigene Ausstellung hatte. In Summe sollen ihre Zeichnungen und Bilder bereits mehr als eine Million Pfund eingebracht haben. Ai-Da wurde von der Universität Oxford entwickelt und kann mithilfe der KI nicht nur Zeichnungen und Gemälde anfertigen, sie kann auch musikalische Projekte umsetzen. Nicht aus der Feder von Ai-Da, dafür aber von den Technikern des Handyherstellers Huawei, stammt eines der bekanntesten Musikstücke aus der Geschichte der KI-Komponisten. Es war das Jahr 2021, als eine KI von Huawei Beethovens 10. Sinfonie, die «Unvollendete», vollendete. Anlass war der 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven. Zwei Sätze wurden auf einem Handy des Herstellers berechnet und dann dem Publikum präsentiert. Dafür wurden zahlreiche Skizzen, Sinfonien und Partituren in Maschinensprache aufbereitet und anschliessend über Algorithmen analysiert und neu zusammengesetzt. Es gibt aber auch zahlreiche praxisnahe Beispiele für den Einsatz der KI in der Musikszene: So macht Amper Music beispielsweise das Komponieren auf Knopfdruck möglich. Der Nutzer gibt an, welchen Stil er sich wünscht, welche Länge das Stück haben und in welcher Stimmung der Song sein soll – und die KI erledigt den Rest. Vor allem junge Künstler sollen davon profitieren. Ein erfolgreiches Beispiel ist die amerikanische Sängerin Taryn Southern: Sie erstellte ein Album mit Amper. Ein Song daraus, «Daddy’s Car», wurde bereits in der ersten Woche 400.000-mal heruntergeladen. Eine KI kann Musik aber auch in Echtzeit generieren und sich so auf die Situation der Menschen einstellen. Die Firma Melodrive arbeitet mit Kunstinstallationen, bei denen die Musik auf die Bewegungen der Besucher reagiert. Flexibler geht es kaum, und die Einsatzmöglichkeiten sind schier unendlich – von Shopping Malls bis zu Videospielen. Kein Wunder also, dass Künstler die Entwicklung nicht nur positiv betrachten. Es war die kanadische Musikerin Grimes, die ebenso nüchtern wie visionär feststellte: «Ich habe das Gefühl, dass wir uns am Ende der Kunst befinden, der menschlichen Kunst. Sobald es tatsächlich AGI (Artificial General Intelligence) gibt, werden sie so viel besser darin sein, Kunst zu machen als wir.» 

Wirre Worte

Wem ebenfalls bereits erste Schweissperlen auf der Stirn stehen dürften, das sind die Vertreter der schreibenden Zunft. Während sich Journalisten bereits daran gewöhnt haben, dass Börsenberichte oder Sportergebnisse von einer KI verfasst und veröffentlicht werden, ist die Entwicklung für Buchautoren und Dichter noch relativ neu. Aber auch hier setzt sich die KI immer mehr durch, und der Unterschied zwischen menschlichem Schaffen und künstlichen Werken wird immer schwerer zu erkennen sein. Schon 2018 schickte die Wiener Agentur Tunnel23 ein Gedicht an die Brentano-Gesellschaft, ohne zu erwähnen, wer der Verfasser des Werks ist. Das Gedicht wurde in den renommierten Jahresband «Frankfurter Bibliothek» aufgenommen. Geistiger Eigentümer der Zeilen war und ist jedoch kein Mensch, sondern eine KI. Zusammengebaut hat sich die KI die Zeilen mithilfe eines Algorithmus, der mit Werken von Goethe und Schiller gespeist wurde. Die KI lernte daraufhin Vokabular, Semantik und Rhythmik der Texte und kreierte einige Wochen später das gelobte Werk. Aber nicht nur Reime wurden produziert. Eine Firma namens Botnik fütterte 2017 eine KI mit allen Bänden von «Harry Potter» und stellte dem Computer die Aufgabe, einen Roman im Stil von J. K. Rowling zu verfassen. Die Arbeit wurde vollendet, das Resultat aber war eher bescheiden. Der Titel des Bandes liess bereits aufhorchen: «Harry Potter und das Porträt von etwas, das aussah wie ein grosser Aschehaufen». Und auch so mancher Satz sorgte für Belustigung: «Ron stand da und machte eine Art verrückten Stepptanz. Er sah Harry und begann sofort, Hermines Familie aufzuessen», stand dort zu lesen. Hier finden sich auch die aktuell grössten Probleme – während der Stil und die Sprache gut umgesetzt werden können, bleibt der Inhalt grossteils auf der Strecke. Fortschrittlicher ist das Projekt GPT3, das Elon Musk, der Gründer von Tesla, und Microsoft finanziert haben. Millionen von Texten wurden der KI aus dem Internet eingespielt, kreiert werden Kurzgeschichten, Essays und sogar technische Handbücher. GPT3 ist aber auch der fortschrittlichste Sprachgenerator der Welt. Mit ihm lassen sich gesprochene Befehle in diversen Computerprogrammen umsetzen. 

Künstliche Intelligenz hat sich längst in der Gesellschaft und in der Kunst etabliert. Die einzige Frage, die im Raum stehen bleibt und wahrscheinlich noch viel Diskussionsstoff liefern wird, ist eine philosophische, denn wir werden uns irgendwann über die Wertigkeit solcher Kunstwerke einig werden müssen: Warum also sollte Kunst, die einen Menschen berührt, weniger wertvoll sein, wenn sie von einer Maschine erschaffen wurde?

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21. Oktober 2022 Nightmare before Christmas

Schaurig schöner Streaming-Spass

Schneller Puls, Angstschweiss, kalter Schauer und Gänsehaut: Hier kommen die besten Neuerscheinungen für ein gruseliges Halloween.

Netflix

«The Midnight Club» («Gänsehaut um Mitternacht») ist seit 7. Oktober 2022 bei Netflix zu sehen und handelt von einer Gruppe von Jugendlichen, die sich in einem Krankenhaus düstere Geschichten erzählen und nach übernatürlichen Zeichen suchen. Guillermo Del Toros «Cabinet Of Curiosities» erzählt acht jeweils abgeschlossene Gruselgeschichten, die als viertägiges Event von 25. bis 28. Oktober 2022 erscheinen. Die Adaption des Stephen-King-Romans «Mr. Harrigan’s Phone», «The Watcher» – die Verfilmung einer wahren True Crime-Story – und «Jeffrey Dahmer: Selbstporträt eines Serienmörders» sind ebenfalls empfehlenswerte Grusel-Garanten. Falls es noch etwas realer werden soll, bietet Netflix mit Staffel sechs der Dokumentation «Die härtesten Gefängnisse der Welt» eine Alternative. Ausserdem starteten gleich am 1. Oktober einige schaurige Filmklassiker wie «Annabelle 3» und «Paranormal Activity: Die Gezeichneten» sowie die Remakes «A Nightmare On Elm Street» und «Freitag, der 13.».

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28. November 2022 Weihnachtsmarkt

Besinnliche Vorweihnachtszeit

Event Tipps im Dezember 2022.

Während Locarno on Ice verwandelt sich die Piazza Grande in einen märchenhaften Ort: Die spektakulären Kunsteisbahn die mit roten Teppichen umgeben ist, eine teilweise überdachte und beheizte Terrasse, eine Bühne für Live-Konzerte, grosse transparente Iglu-Bars und eine Reihe von kleinen Chalets, in denen das vielfältige gastronomische Angebot genossen werden kann, tauchen Locarno in eine warme, weihnachtliche Atmosphäre.

Locarno on Ice
18. November 2022 — 8. Januar 2023
Locarno

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Limna 01

So läuft das App

Die Kunst-App Limna schätzt Gemälde preislich ein – laut Experten erstaunlich treffsicher.

Wer mit dem Kunstmarkt nicht auf Du und Du steht und sich nicht regelmässig mit Galeristen und Auktionshäusern austauscht, hat es schwer im Dschungel der Art Connaisseurs. Die Preise für Gemälde und Kunst im Allgemeinen sind schwer zu beziffern. Darüber kann auch keine mathematische Formel hinwegtäuschen: Breite + Höhe × Künstlerfaktor soll Interessierten den wahren Wert eines Bildes verraten. Leider ist der Begriff des Künstlerfaktors nicht so leicht zu bestimmen wie die Masse, denn der Verkäufer wird nur allzu oft eine andere Einschätzung vornehmen als der Käufer. Zu dieser Einsicht dürften auch Stine Albertsen und Marek Claassen gekommen sein, bevor sie die App «Limna» entwickelten – eine künstliche Intelligenz, die Sammlern bei der Entscheidungsfindung helfen soll. Basis für die Ergebnisse ist die oben genannte Formel, und selbst namhafte Galeristen wie Johann König stehen diesem Fortschritt positiv gegenüber. Limna nutzt Algorithmen, um Gemälde anhand von Tausenden Daten preislich einschätzen zu können. Kaum wurden die Breite und Höhe sowie der Name des Künstlers eingegeben, schon weiss der Nutzer, ob er einem überteuerten oder einem unterschätzten Werk gegenübersteht. Nach eigenen Angaben funktioniert die App am besten mit zeitgenössischer Kunst, was auch auf der Hand liegen dürfte. Museal und kunsthistorisch abgesicherte Werke sind preislich bereits besser einzuschätzen als Bilder von Künstlern, die erst wenige Ausstellungen oder Auktionen hinter sich haben. Bei Skulpturen oder Fotos funktioniert der Algorithmus leider noch nicht. Albertsen und Claassen entwickelten die App in erster Linie für Laien. Sie sollen die Schwellenangst ablegen und sich im undurchsichtigen Kunstmarkt orientieren können. Aktuell ist die App nur für Apple-Nutzer verfügbar. 

How it works | limna​.ai

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