Kein Kitsch, nur Authentizität, Stil und Tradition versprechen die Boutique-Hotels im Bregenzerwald.
Kaum eine andere Region in Österreich versteht es, traditionelle Handwerkskunst und zeitloses Design so nonchalant zu vereinen wie der Bregenzerwald. Ästhetik und Komfort sowie das Integrieren von lokaler Kunst und Kultur spielen dabei eine wesentliche Rolle. «Vorarlberg ist ein Ort wie kein anderer – hier herrscht so viel Gespür für Material und Form. Gute Architektur ist ein Teil der DNA der Region, die hier als natürlich und selbstverständlich angenommen und umgesetzt wird», sagt der Architekt Sebastian David Büscher. Bauherr, Planer, Innenarchitekt und Designer in einer Person, ist Büscher seit Juni dieses Jahres gemeinsam mit seiner Frau auch Gastgeber des VA House in Weiler, das Architektur, Minimalismus und Natur gekonnt vereint: «Schon beim Betreten des Hauses verbinden sich diese Komponenten zu einem grossen Ganzen und es kommt sofort ein Gefühl der Wärme auf.»
Das VA House
Das VA House ist ein Zuhause auf Zeit für Designliebhaber. Drei grosszügige Schlafzimmer bietet das Haus, das alpine Architektur und moderne Elemente auf eine ganz eigene Art vereint. Zwei Materialien bestimmen den Innenraum – Weisstanne in Natur und schwarz gebeizt, dazu rauer Beton. «Das Holz spiegelt den regionalen Gedanken wider, der Beton ist eine Interpretation von Fels und Stein», erklärt Büscher. Die Form des A‑Frame-House nimmt auch Bezug auf die Felsformationen der Berge ringsum. Für seine Gäste wünscht sich der Architekt ein Gefühl der Entspannung und Geborgenheit und den Eindruck, dass Architektur und Landschaft scheinbar verschmelzen.
Das Mesmerhaus
Die Bregenzerwälder scheinen ein angeborenes Gespür dafür zu haben, wie sich Neu und Alt stilvoll und charmant kombinieren und wiederbeleben lassen. Das Mesmerhaus in Bildstein bietet nicht nur einen unglaublichen Ausblick über den Bodensee, sondern auch jede Menge Geschichte. Über 200 Jahre hat das Rheintalhaus in prominenter Lage bereits auf dem Buckel. Wo einst der Mesmer wohnte, um die Glocke der benachbarten Wallfahrtskirche tagein tagaus zu läuten, finden designverliebte Gäste heute Ruhe und einen Ort weit abseits von Alltagsstress und urbanem Trubel. «Einen Laib Brot in der Woche bekam mein Urgrossvater für seine Arbeit als Messner», erinnert sich die Gastgeberin Evi Haller. 2010 hat sie das marode Haus gemeinsam mit ihrem Mann, dem Architekten Jürgen Haller, durch eine aufwendige Renovierung aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Ob Licht, Farben, Materialien oder Proportionen: nicht das kleinste Mü haben Evi und Jürgen Haller dem Zufall überlassen. Von aussen betrachtet wurde das denkmalgeschützte Haus mit der Schindelfassade und den vielen Kastenfenstern kaum verändert. Im Inneren bereichert heute ein zeitgemässes Wohnkonzept das historische Flair. 2015 wurde das Mesmerhaus von Vorarlberg Tourismus mit dem Anerkennungspreis für Tourismus-Innovationen ausgezeichnet. Die Begründung der Jury: «Sorgfältig und wohl überlegt bis in die kleinsten Details ist das, was unsere Preisträgerin mithilfe ihrer weit verzweigten Familie aus ihrem historischen Erbe an einem der schönsten Plätze Vorarlbergs gemacht hat: Die aussergewöhnlichen Urlaubswohnräume in einem Baudenkmal und die persönliche Note der Gastgeberin sind ein überzeugendes Konzept für Menschen, die für eine kurze Zeit an einem anderen Ort leben möchten, als würden sie dazu gehören.»
«In meinen Augen fasziniert unsere Region mit ihrer natürlichen Schönheit, ihrer aussergewöhnlichen Baukultur und kulturellen Vielfalt – das ideale Umfeld für Architektur- und Designliebhaber?! Ein Besuch lohnt sich für all jene, die einzigartige Baukunst und inspirierende Landschaften im Einklang erleben möchten.» – Jürgen Haller
Tempel 74
Wie so oft führt im Leben das eine zum anderen. Und als sich für Evi und Jürgen Haller in Mellau die Möglichkeit ergab, ein innerdörfliches Grundstück neu zu bespielen, machten die beiden mit ihrem Tempel 74 Nägel mit Köpfen. «Die zwei Häuser, die 2019 erbaut wurden, knüpfen stilistisch an die bäuerlich-handwerkliche Tradition an und schreiben diese in freier Interpretation fort», erzählen die Gastgeber. «Die gemütliche Stube verbindet die beiden Gebäude zu einem grossen Ganzen. Das Apartmenthaus ist ein besonderer Platz für neue Ideen und Kreative.» Und tatsächlich kann es nicht selten vorkommen, dass man zurück von einer Architektour durch den Bregenzerwald Evi beim Backen in der Gemeinschaftsküche antrifft. Bei einem Glas Wein lässt es sich nach einem langen Tag in den Bergen und gemütlich in der Lounge entspannend vortrefflich über die Region, das Konzept und die Vision der Gastgeber plaudern. «Designaffine Gäste finden mit dem Tempel 74 ein architektonisches Schmuckstück, das modernes Design mit traditioneller Baukunst harmonisch verbindet. Neben dem Komfort steht auch das ästhetische Erlebnis im Mittelpunkt – ergänzt durch die beeindruckende Kulisse des Bregenzerwaldes», bringt Jürgen Haller die Essenz des Hauses auf den Punkt. Zehn exklusive Apartments, eine Sauna mit Ruhebereich und eine Sonnenterrasse ergänzen das gemütliche Wohnzimmer mit Kamin, in dem sich Gäste und Einheimische zum Austausch oder zu kulturellen Veranstaltungen treffen. Wer nicht auswärts essen mag, nimmt Evis Frühstücks-Service in Anspruch oder bedient sich in der grossen Küche mit den gut bestückten Laden an den eingeweckten Gerichten, die auf Hauben-Niveau von Wolfgang Mätzler in der Region vorgekocht werden. Natürliche Materialien, ein umfangreiches Kissenmenü, duftende Naturseifen und nicht zuletzt viel Luft und Raum zum Atmen machen eine Auszeit im Tempel 74 zu einem sinnlichen und wunderbar erdenden Erlebnis.
Hirschen Hotel
«Kein Kitsch, keine Imitate, langlebige Ästhetik», lautet auch das Credo von Peter Fetz, Gastgeber des Hirschen im benachbarten Schwarzenberg. Wo andere auf das Dörfliche, Zurückgezogene setzen, hat sich Fetz zum Ziel gesetzt, den Hirschen zu einem urbanen Platz inmitten einer wunderschönen ländlichen Gegend zu machen: «Die wertvolle Substanz des Hauses haben wir dabei mit Fingerspitzengefühl erhalten. Wo wir erneuert haben, haben wir aber nie so getan, als wäre es alt. Der Bregenzerwald ist gesegnet mit unglaublich guten Handwerkern, Architekten und Planern. Dem wollen wir eine Bühne bieten.» Entstanden sei so über die Jahre – der Hirschen wurde immerhin bereits 1755 eröffnet – ein Ort, an dem Charaktere zusammenkommen. Da aber selten alles beim Alten bleibt, entschlossen sich die Gastgeber 2024 dazu, den historischen Gasthof gemeinsam mit NONA Architektinnen und Marika Marte um das Wälderhaus in Vollholz und ein Badehaus zu erweitern. Die Zimmer und Suiten wurden 2024 um die sogenannten Homes ergänzt – Apartments, die für leisen Luxus und gelebte Handwerkskunst stehen. «Immer ausgestattet mit Kunst aus der Region, urbanem Geist und heimeligen Betten und Ecken.» Die Summe aller Teile nennt Fetz entsprechend das USP des Hirschen – und setzt wie für den Bregenzerwald so typisch bewusst auf das Kontrastprogramm zu trendigen Dingen mit kurzer Lebenszeit. Da lohnt es sich schon eher, in den neuen Spa- und Wellnessbereich einzutauchen, wo neben Wasser, Natur, Handwerk und Kunst auch der Genuss seinen Platz findet: Man trifft sich an der Bademantelbar. Ein gutes Fläschchen aus dem Weinschrank in der Hand, lässt es sich ausgelassen sinnieren und diskutieren. Über Tradition. Über Handwerk. Oder eben einfach über das unbeschwerte Sein, das den Bregenzerwald an allen Ecken und Enden zu prägen scheint.
Pharaos Auferstehung
Im Talk gibt Ausstellungsdesignerin Shirin Frangoul-Brückner Einblicke in das neue Grand Egyptian Museum.
Das «Grand Egyptian Museum» – kurz GEM genannt – mit Blick auf die Pyramiden von Gizeh ist ein Jahrhundertprojekt, das völlig neue Einblicke in eine der reichsten und schillerndsten Kulturen der Menschheitsgeschichte ermöglichen soll. Allein die Präsentation der Grabschätze von Tutanchamun wird auf mehr als 7‘000 Quadratmetern ausgebreitet. Für das Ausstellungsdesign wurden das Stuttgarter«Atelier Brückner» und Shirin Frangoul-Brückner engagiert.
Swiss Design Awards: Der Nachhaltigkeitsfreund
Modedesigner Rafael Edem Kouto schafft mittels Upcycling Hochqualitatives und Kreatives.
Er sieht Mode als einen Ausweg aus dem Kapitalismus: Mittels Upcycling schafft Rafael Edem Kouto aus Gebrauchtem neue Kleidung und Accessoires und setzt mit traditionellen, handwerklichen Couture-Techniken und Handwerk seinen kompromisslosen Ansatz für Nachhaltigkeit um. Kouto hat Wurzeln in der Schweiz, Italien und in Togo. Er ist Mode- und Textildesigner und interessiert sich besonders für nachhaltige Strategien und Upcycling-Methoden. Sein Wunsch ist es, die Mode- und Textilindustrie in Sachen Umwelt, Nachhaltigkeit und Klimabewusstsein ein Stück nach vorne zu bringen und hochqualitative, kreative und günstige Kleidung zu schaffen, die aus der Masse heraussticht und den Zeitgeist trifft. Sein Ansatz ist es auch, die Ästhetik von afrikanischer und westlicher Kultur in seinen Arbeiten zu verbinden.
Kouto studierte Modedesign in Basel und Amsterdam. Erste Sporen verdiente er sich bei Alexander McQueen, Maison Martin Margiela, Carven und Ethical Fashion Initiative. Seit 2017 betreibt er die Couture-Marke, die seinen Namen trägt. Seine Strategie ist es, Textilabfälle, tote Lagerbestände und Ähnliches weiter zu verwenden und sich dadurch in seinem Kreativ- und Produktionsprozess inspirieren und leiten zu lassen. Die Marke hat viele Auszeichnungen erhalten, darunter den Lotto Sport & Diesel International Talents Support Award 2019 und den Gebert Ambiente Design Preis. Den Swiss Design Award in der Kategorie Fashion und Textile bekam er bereits mehrfach. Ausgestellt wurden seine Schöpfungen unter anderem bei der Fashion Open Studio x Berlin Fashion Week und der Mode Suisse, Zürich sowie im Museum für Gestaltung, dem Textilmuseum St. Gallen und der State of Fashion Biennale in den Niederlanden. Rafael Edem Kouto hat eine Professur für Modedesign an der IUAV in Venedig inne, er lebt in der Schweiz und in Italien.
Provokant elegant
Provokant und elegant
Ob blühendes Art Car für Porsche, Rauminstallation für Dior oder die Cherry Lamp fürs Wohnzimmer. Nika Zupanc’ Werke sind mehr als Designobjekte, sie sind Statements, die international Beachtung finden. Die studierte Industriedesignerin liebt es, knifflige Herausforderungen in wunderschöne Dinge zu verwandeln. Mal bewusst feminin, gern auch provokant oder fragil. Nika Zupanc setzt sich mit ihrem Studio im slowenischen Ljubljana keine Grenzen.