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Der Schweizer Architekt und Designer Fabien Roy im Gespräch.

Mit welchen drei Worten würden Sie Ihre Designs beschreiben?

Kontextbezogen, rational und bescheiden. 

Stimmen Sie der Aussage des Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry: «Vollkommenheit ist nicht erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann» in Bezug auf Ihre Arbeit zu?

Das ist genau das, wonach ein Designer streben sollte. Die Reduzierung eines Produkts auf das Wesentliche dient seiner Funktion, rationalisiert die Produktionskosten, begrenzt die Materialverschwendung und erzeugt eine einfache und benutzerfreundliche Ästhetik. Diese Aussage muss ein Leitmotiv sein, um immer nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können.

Welche Künstler und Designer würden Sie als Ihre Vorbilder bezeichnen und warum?

Den Architekten Peter Zumthor. Ich denke, dass er eine bescheidene und gleichzeitig sehr kraftvolle Architektur bietet. Im Allgemeinen lässt er seine Architektur auf eine sehr angemessene Weise mit der direkten Umgebung in Dialog treten. Ich schätze die Bedeutung, die er dem Kontext eines Ortes beimisst. Seine Arbeit berücksichtigt sorgfältig die Geschichte des Ortes, die Verwendung von lokalen Materialien und Bausystemen.

Nach Ihrem Studium in Fribourg und Lausanne haben Sie zehn Jahre lang als Architekt gearbeitet. Was waren die Gründe für Ihren Wechsel zum Möbel- und Produktdesign, als Sie Ihr eigenes Studio gründeten?

Ich habe mich seit Beginn meines Architekturstudiums immer für Produktdesign interessiert. Das habe ich während meines Studiums durch die Arbeiten von Architekten wie Alvar Aalto, Ludwig Mies van der Rohe, Marcel Breuer und Le Corbusier für mich entdeckt. Lange Zeit betrachtete ich Design als etwas eher Leichtes im Vergleich zur Architektur. Ich meine etwas weniger Ernstes. Im Bereich Design gibt es unendlich viele Themen, unendlich viele Massstäbe und Materialien, die man erforschen und mit denen man spielen kann. Ich hatte viel Spass daran, in meiner Freizeit Objekte zu entwerfen. Es war diese Neugier, die mich dazu brachte, die ECAL zu besuchen und einen Master-Abschluss zu machen. Heute habe ich immer noch dieselbe Freude, wenn ich ein Objekt entwerfe, aber ich habe verstanden, welchen Einfluss Design auf die Gesellschaft haben kann. Design ist ein sehr mächtiges Werkzeug, es ist ein grossartiges Mittel, um Ideen zu verbreiten, insbesondere im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung.

Die Natur und ihr Schutz sind Ihnen ein grosses Anliegen. Wie kommt das in Ihren Entwürfen und in Ihrer Arbeitsweise zum Ausdruck?

Ich bin in der Tat auf dem Land aufgewachsen und lebe auch heute noch dort, sodass ich immer in engem Kontakt mit der Natur war und bin. Ich habe eine grosse Sensibilität für ihren Schutz entwickelt. Ich glaube, dass die neue Designer-Generation dieses Thema in ihrer Arbeit im Allgemeinen ernst nimmt und es wird verstärkt nach alternativen natürlichen, biologisch abbaubaren Materialien geforscht. Ich für meinen Teil arbeite im Wesentlichen mit herkömmlichen Materialien, schlage aber vor, sie in einer Weise zu verwenden, die an den Kontext angepasst ist. Besonders mag ich Holz. Es ist einfach ein verrücktes Material in Bezug auf seine Einsatzmöglichkeiten. In der Schweiz haben wir noch viel Raum für Verbesserungen, was die Verwendung von Holz unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit betrifft.

Stichwort Nachhaltigkeit und Holz: Im Jahr 2022 haben Sie das Projekt Risou gestartet, bei dem es um die Weiterentwicklung von Holzmöbeln geht. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Dieses Projekt ist für mich sehr wichtig. Es erzählt von meinen Wurzeln und Überzeugungen. Es ist in erster Linie ein Experimentier- und Erkundungsprojekt. Risou hat es sich zur Aufgabe gemacht, die aussergewöhnliche Qualität des lokalen Holzes aus dem Joux-Tal in der Schweiz hervorzuheben. In der Vergangenheit wurde das Tal wegen seiner vielfältigen Handwerksindustrie geschätzt. Heute wird sein Rottannholz hauptsächlich als Bau- oder Brennholz verwendet, was seinen Beitrag zur lokalen Wirtschaft stark einschränkt. Risou hat das Ziel, den Ruf dieses herrlichen Holzes wiederherzustellen, indem es eine lokale Produktion von zeitlosen Möbeln und Accessoires bietet, die das handwerkliche Erbe des Tals mit Technologie verbindet. Die Produkte werden in Zusammenarbeit mit lokalen Handwerkern und einer Stiftung (Le Repuis) hergestellt, die Lehrlingen, die auf traditionellem Wege keine Ausbildung erhalten können, hilft, ihre soziale Integration zu erleichtern. Ziel ist es, einzigartiges Wissen zu bewahren, indem es von der Tradition auf zeitgenössische Bedürfnisse und Produkte übertragen wird. Daraus sind einzigartige und überraschende Ästhetiken entstanden.

2021 war für Sie das Jahr der Auszeichnungen. Unter anderem wurden Sie mit dem Designpreis Schweiz und dem James Dyson Award Schweiz für Ihr Design ROBUST NEST ausgezeichnet. Können Sie uns mehr über dieses Projekt erzählen?

Robust Nest ist ein Inkubator für Neugeborene, der an die afrikanischen Länder südlich der Sahara angepasst ist. Als Vater von zwei kleinen Mädchen war ich daran interessiert, etwas im Zusammenhang mit dem Kinderschutz zu entwickeln. Im Jahr 2020 entdeckte ich, dass die EPFL (Eidgenössische Technische Hochschule) an einer innovativen Batterie für einen zukünftigen Neugeborenen-Inkubator arbeitete. Auf dieser Grundlage entwickelte ich das komplette Design eines Inkubators für den afrikanischen Kontext. Nach Angaben von UNICEF sterben in Afrika südlich der Sahara jedes Jahr 1,1 Millionen Neugeborene im ersten Lebensmonat an Unterkühlung. Bestehende Neugeborenen-Inkubatoren in Industrieländern können die technischen Anforderungen nicht erfüllen. Die Hauptursachen sind ihre Unfähigkeit, bei häufigen Stromausfällen Wärme zu liefern, und ihre Anfälligkeit gegenüber hoher Luftfeuchtigkeit, Staub und hohen Temperaturen. Robust Nest ermöglicht den Transport von Patienten in Fahrzeugen, hält häufigen Stromausfällen stand und zeichnet sich durch Komponenten aus, die leicht ausgetauscht werden können. So wird sichergestellt, dass die Babys warmgehalten werden.

Es ist nicht das einzige Design, das Sie für den Gesundheitssektor entworfen haben. Sie haben auch Projekte für PARITHERA und das EPFL+ECAL Lab realisiert.

Ja, ich habe ein gutes Netzwerk mit einigen der EPFL-Forschungszentren, aber auch mit einigen Start-ups in der Genferseeregion aufgebaut. Ich arbeite gerne an Projekten, die ein konkretes gesellschaftliches Potenzial haben.

Woran arbeiten Sie derzeit? 

Ich befinde mich in der Entwicklungsphase einiger Produkte – aus Holz – mit dänischen Unternehmen, die bis Ende 2023 auf den Markt kommen sollen. Ich arbeite mit mehreren Start-ups an verschiedenen Projekten, ausserdem habe ich einen Auftrag für die Tour de France mit der Installation einer riesigen Holzskulptur, die vom Himmel aus für die französischen Fernsehhubschrauber sichtbar ist. Und ich habe auch noch einen Teilzeitjob als Architekt. Meine Tage sind also ziemlich ausgefüllt.

Gibt es ein Traumprojekt, das Sie gerne verwirklichen würden?

Ich würde gerne Möbel oder Accessoires für einige Schweizer Marken entwerfen, deren Arbeit und Werte ich schätze. Ich bin auch in der Innenarchitektur und Szenografie tätig. Die Einzigartigkeit meines Ateliers liegt in meinem Fachwissen sowohl in der Architektur als auch im Produktdesign. Durch die Verschmelzung von Handwerk und Technologie bietet meine Arbeit wirklich ganzheitliche Lösungen.

Vielen Dank für das Gespräch!