Ein Museum ganz en vogue: Der Louvre in Paris steht vor einem spannenden Wandel. In den kommenden Jahren soll das grösste Museum der Welt eine völlige Neuausrichtung erfahren. Ein erster Schritt auf diesem Weg ist «Louvre Couture» – die erste Modeausstellung in der Geschichte des Hauses.
Der Auftakt der Schau ist zurückhaltend unspektakulär: Da steht auf einem verspiegelten Podest eine schwarze Puppe, die ein kurzes, schlichtes Seidenkleid trägt, aufwendig bestickt mit schwarzen Blumenranken. Es ist ein Entwurf aus der Haute-Couture-Kollektion vom Frühling/Sommer 1949 von Christian Dior, und er trägt doch tatsächlich den Namen«Musée du Louvre».
Warum der legendäre Couturier diesen Namen gewählt hat? So genau wird das nicht erklärt. Eines aber ist sicher: Christian Dior setzte sich zeitlebens mit Kunstwerken im Louvre – insgesamt sind es über 380’000 Objekte – auseinander, er studierte sie oder liess sich für seine Modeentwürfe von ihnen inspirieren. Und er war nicht der Einzige, auch für viele andere Modeschöpfer war der Louvre über die Jahrzehnte, ja Jahrhunderte hinweg, eine nie versiegende Quelle für ihre modischen Fantasien.
Mode im Museum?
Dabei hat Mode im Louvre, dem berühmtesten und meistbesichtigten Museum der Welt, keinen Platz. Sprich: Weder ist Mode auf den über 70’000 Quadratmetern Ausstellungsfläche ausgestellt noch beinhalten seine Sammlungen Modeobjekte. Warum, fragt man sich, richtet der Louvre dann ausgerechnet jetzt, im 232. Jahr seines Bestehens, erstmals eine richtige Modeausstellung,«Louvre Couture», aus?
Um diese Frage zu beantworten, muss man zum einen verstehen, welchen Stellenwert Mode im internationalen Museumsbusiness mittlerweile hat, und zum anderen, in welch schwieriger Verfassung der Louvre sich derzeit befindet. In einem an die Öffentlichkeit gespielten Brief der Museumsdirektorin Laurence des Cars an die französische Kulturministerin spricht sie eindringlich von«Schäden, Verfall und Überfüllung» der altehrwürdigen Institution. Statt vier Millionen, für die die berühmte Glaspyramide von Architekt Ieoh Ming Pei vorgesehen war, strömen mittlerweile über neun Millionen Besucher jährlich durch den Eingangsbereich. Passiert nicht schnell etwas, steht der Louvre vor dem Kollaps, oder wie die NZZ schrieb:«Er verlottert».
Vom Laufsteg ins Louvre
Eine«Nouvelle Renaissance», eine«Wiedergeburt», des Louvre, versprach denn bereits einige Tage, nachdem der Brief der Direktorin an die Öffentlichkeit gekommen war, Präsident Emmanuel Macron, und auch wenn er keine Zahlen nannte, so gilt eines schon als gesichert: dass diese Summe richtig teuer werden wird und zu einem beträchtlichen Teil vom Louvre selbst gestemmt werden muss. Doch Geld ist nur das eine. Nicht erst seit dem Hilfeschrei der Direktorin ist es unter Experten Common Sense, dass der Louvre eine inhaltliche Rundumerneuerung braucht, möchte er international mit vergleichbaren Institutionen wie dem Victoria and Albert Museum in London oder dem Metropolitan Museum in New York (Met) mithalten. Gerade Letzteres zeigt, wie zeitgenössische Museumsarbeit heute ausschauen kann bzw. wie man immer wieder neue und vorzugsweise jüngere Besuchergruppen ins Museum lockt.
Wie man seine Sammlungen attraktiv hält und das Museum in die Schlagzeilen bringt. Ein wichtiger Baustein dabei ist Mode, womit wir zurück bei unserer Eingangsfrage wären: Mode bzw. Modeausstellungen fungieren zunehmend als Schlüssel, um das Interesse einer ansonsten oft kunstfernen Besucherschar zu wecken. Kaum einer weiss das besser als Olivier Gabet, der seit einigen Jahren der Abteilung für dekorative Kunst im Louvre vorsteht und zuvor für viele Jahre das Pariser Musée des Arts décoratifs leitete. Es war unter seiner Führung, als das Musée des Arts décoratifs mit seinen Dior‑, Schiaparelli- und Iris-van-Herpen-Ausstellungen die Massen anzog und manche Instagram-Timeline dominierte.«Mode kann ein Einstieg in die Welt der Museen sein», sagt er, und genau darum geht es jetzt auch bei der von ihm kuratierten Ausstellung«Louvre Couture», die sich nicht zufällig über die gesamten 9’000 Quadratmeter der von ihm verantworteten Abteilung im«Richelieu»- und (teilweise)«Sully»-Flügel erstreckt.
«Mode spricht eine universelle Sprache» – Olivier Gabet, Kurator von «Louvre Couture»
Balenciaga, Dior und Fendi: Hocher Besuch im Louvre
Die Ausstellung ist als eine Art Parcours durch die Sammlungen der dekorativen Künste angelegt. Zwischen den Vitrinen mit Geschirr oder Messinggeschmeide, in opulenten historischen Interieurs oder vor prunkvollen Tapisserien werden Modekreationen von Cristóbal Balenciaga bis hin zu Jun Takahashi von Undercover gezeigt. Knapp 100 Leihgaben von Häusern wie Louis Vuitton oder Gucci veranschaulichen in intimen Zwiegesprächen die Verbindungen von Mode und Kunstgeschichte. Da dominiert ein wallendes Krinolinenkleid von Yohji Yamamoto (Herbst/Winter 2015/16) die pompösen Privaträume von Napoleon III. oder schmuggeln sich Nietenstiefel von Christian Louboutin (Herbst/Winter 2007/2008) in eine Vitrine mit sakraler Kunst. Andere Highlights: Gallianos«Kaiserin Sisi»-Robe (2005) oder ein pechschwarzes Kleid für Balenciaga (2020) von Demna Gvasalia im grossen, mit ausladenden Jagdszenen dekorierten Speisesaal.
Wer angesichts der vielen Referenzen eine intellektuelle Überforderung befürchtet, liegt falsch:«Louvre Couture» ist eine Ausstellung, die eher auf visuelle Überwältigung setzt und damit einen ersten Baustein in der Erneuerung und Öffnung des Louvre darstellt. Ein weiteres Highlight, das eng mit dieser ersten Modeausstellung in der Geschichte des Louvre verknüpft ist, fand bereits Anfang März statt: eine grosse Fundraising-Gala – rechtzeitig zur Pariser Modewoche. Inspiriert von der legendären Met Gala, der wohl berühmtesten Modeparty der Welt, zog das Event auch jene in den Bann, die normalerweise keinen Fuss in ein Museum setzen würden.
Drei Fragen an den Kurator von «Louvre Couture», Olivier Gabet
Was hat sich im Louvre, was in der Gesellschaft, verändert, dass Sie das Museum für Mode öffnen?
In den vergangenen Jahren kam es zu einem regelrechten Boom an Modeausstellungen – allerdings nur in Modemuseen. Das hat auch andere Museen auf die Idee gebracht und sie haben immer stärker mit Mode gearbeitet, oft allerdings nur als Beiwerk. Im Louvre erleben wir gerade grosse Veränderungen, unsere Direktorin Laurence des Cars möchte das Museum für neue Zuschauer öffnen. Wir haben derzeit zwar neun Millionen Besucher im Jahr, wir wollen aber vermehrt auch neue Besucherschichten und auch die lokale Bevölkerung ansprechen.
Und dafür eignet sich das Thema Mode?
Wenn man es schafft, dass Mode mit Menschen auch jenseits von Mode spricht, dann ja! Wir hoffen, nicht nur neue Besucher anzusprechen, sondern auch die Scheinwerfer auf Teile unserer Sammlungen richten zu können, die weniger bekannt sind.
Sie haben einmal gesagt, dass das wichtigste Ziel eines jeden Museums sein muss, die Jugend zu gewinnen. Gilt das auch für den Louvre, der besuchermässig bereits jetzt aus allen Nähten platzt?
Unbedingt. Der Louvre soll nicht nur jünger, sondern auch diverser werden. Wir möchten ein breiteres Publikum ansprechen — ohne Konzessionen an das Ausstellungsniveau zu machen. Wir müssen auf die Besucher zugehen, mit einfacheren Texten zum Beispiel, mehr Erklärungen. In der Zeit, in der ich dem Musée des Arts Décoratifs vorstand, habe ich realisiert, dass Mode ein Einstieg in die Welt der Museen sein kann. Mode spricht eine universelle Sprache, sie ist überall, Menschen haben ganz automatisch einen Bezug zu ihr, auch wenn sie vielleicht von Kunst keine Ahnung haben. Genau das sollten wir nutzen, und genau das wollen wir nutzen.
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