Seattle kann man schmecken: die Natur-Aromen der umliegenden Wälder, Gebirgsflüsse und des Pazifiks verdichten sich im Erfolgsrezept der Küche des Pazifischen Nordwestens – indigene und asiatische Traditionen inklusive. Musik- und Kunst-City ist die urbane Naturschönheit Seattle auch.
In Seattle wachsen die Bäume in den Himmel, das Museum of Pop Culture ist da keine Ausnahme. Nur dass man es hier mit einem Gitarrenbaum zu tun hat. Etliche Meter türmt er sich auf, eine originelle, dynamische Skulptur Dutzender E‑Gitarren, mit den besten Saiten der amerikanischen Musikgeschichte. Leute wie Jimi Hendrix hatten ihre Finger im Spiel, die Gitarre des berühmtesten Musiker Seattles ist Teil des eigenwilligen Werks. Laut werden darf es im MoPoP auch. Oder leise, mit oszillierenden Verrenkungen elektronischer Riffs, und offen für wechselnde Stimmungen. Im Musikstudio Sound Lab kann man mit Schlagzeug, Gitarren, Keyboard und der eigenen Stimme sogar selbst Songs aufnehmen. Das sah auch Frank O. Gehry so, der Popstar in Sachen Architektur. Er bescherte Seattle mit dem MoPoP einen seiner ungewöhnlichsten Bauten – inspiriert vom ekstatischen Moment des Zertrümmerns einer Gitarre. Am Rande der Innenstadt wölbt und wirft sich die Stahlhaut des dekonstruktivistischen Gebäudes, spielt mit gefühlvoll gesetzten Disharmonien und mit der chronisch hyperaktiven Lichtstimmung in dieser Stadt. Sonne und Regen wechseln im Nordwesten der USA launischer als anderswo. Auch das trägt zum erfrischenden Vibe bei, der Seattle auszeichnet und der die Stadt zur Probebühne für experimentelle Entwicklungen macht – seit jeher. Klar: Es gab Momente, in denen die Pazifikküste eine Art Endstation nach dem langen Trek von Ost nach West bedeutete. Aber um mehr als um eine kurze Verschnaufpause handelte es sich nicht. Das weltoffene Seattle ist kein schlechtes Beispiel dafür. Auch das MoPoP, in dem dieses Frühjahr auch Keith Harings Strichmännchen abhängen, wurde von einem Pionier der Neuzeit angeschoben: gestiftet hatte es Microsoft-Mitbegründer Paul Allen. Das hat hier System.
Die Non-Profit-Organisation American for the Arts registriert für Seattle mehr kunstbezogene Unternehmen und Organisationen als in jedem anderen Ballungsraum der USA – Corporate Mäzene inklusive. Vor wenigen Jahren liess ein weiteres Spielzeug einer in Seattle ansässigen Tech Company aufhorchen. Da eröffnete an der 7th Avenue, im pulsierenden Stadtteil Denny Triangle, die Glaskugelkomposition Amazon Spheres: drei überlappende, biomorphe Ballone mit üppig wuchernden Pflanzenwänden. «Bezos‘ balls» tauften lokale Medien den grünen Ruheraum für Amazon-Mitarbeiter augenzwinkernd. Starbucks? Auch diese erfolgreiche Seattle-Brand, die das Café auf globaler Ebene neu definierte, lädt zum Besuch ein: Im Stadtteil Capital Hill verströmt The Seattle Roastery historisches Aroma – unter anderem. Kaffeetiger können dann auch zwischen gekühltem und im Gin-Fass gereiftem Ruanda-Brew oder der sonnengetrockneten Hochlandsorte der Plantage Bolivia Kusillo wählen. Und den Mixologen beim Kreieren zahlreicher koffeinhaltiger Drinks auf die Finger schauen.
Kreative Kulinarikszene
Dass die Neugierde auf neue Rezepte auch Geschmacksknospen aufblühen lasst, erfährt man in Seattle auf Schritt und Tritt: Stichwort Pacific Northwest Cuisine. Ziemlich zeitgleich mit dem Siegeszug der New Nordic Cuisine, die Skandinaviens naturbelassene Aromen feiert, verdichten sich auch hier die intensiven Geschmäcker von Wald, Meer, Bergen zu unverfälschten Kreationen. Das macht Orte wie Seattles Pike Place Market, den hier jeder unter dem Akronym PPM kennt, nun zum Mekka von Food-Bloggern und Protagonisten jenes Locavore-Trends, der lokal produzierte Lebensmittel zur entscheidenden Zutat kürt. In der, von der Natur überreich beschenkten, smaragdgrünen «Emerald City», die sich zwischen einem Weltmeer, dicht bemoosten Urwäldern, frischen Quellflüssen und Gebirgszügen erstreckt, schöpfen Locavores aus dem Vollen. Waldpilze und saisonale Beeren, frische Farnspitzen und Karibus, Pazifik-Lachs, Meeresfrüchte und Elch – alles ist hier in kraftstrotzender Frische vorhanden. Doch einzigartig wird Seattles Pacific Nordwest Cuisine erst durch die kulinarischen Kochtechniken der hier beheimateten Native Americans sowie der später zugewanderten Asiaten und Mexikaner. Davon zeugen das alte Wissen um perfekt mit Zedernholz geräucherte Fische, und selbst Unkraut wie Wiesen-Bärenklau wird als Delikatesse namens Pushki serviert. Fusion Food Carts locken mit Bulgogi Burritos, frittierten Sushi, Korea-Tacos und Japanese Style Hot Dogs. Im Rahmen von Taste Washington, dem grössten Food-Festival der USA, verdichtet sich dieses Angebot zur Fiesta. Am oberen Ende der Skala wird indessen Gastro-Geschichte geschrieben – etwa mit Restaurants wie dem Musang, das Filipino Food, an sich kein Garant für höchste Gaumenfreuden, in Seattle auf Gourmetebene hebt. Wer mag, kann sich auch selbst auf die Spuren der Zutaten heften. Dafür sorgen Veranstalter von Wild Food Safaris wie Savor the Wild, das in Seattles Umgebung zu Pilzsuche, Gourmet Kayaking und Shellfish Safari einlädt – im Idealfall gekrönt von einem Pop-up Diner an grandiosen Naturplätzen.
Heli-Seeing
Höchste Zeit für den noch besseren Überblick. Der rotierende Glasboden des Architektur-Wahrzeichen The Space Needle wäre eine Option. Doch eine zukunftsweisende Stadt wie Seattle bietet Panaromablicke auch im Rahmen von Heli-Sightseeing oder jener Scenic Seaplane Tours wie sie Kenmore Air anbietet. Ideal um die gegenseitige Umarmung von Stadt und Land, von Wasser, Wolkenkratzer und schneebedeckten Bergen, die Seattle auszeichnet, von oben zu sehen. Die Meerenge Pudget Sound und das gletscherbedeckte Kaskadengebirge sind solche Aussenposten, zum spektakulären Mount Rainier und dem Vulkankrater Mount Helen ist es nicht allzu weit. Wer sich diesen Naturjuwelen lieber per Allrad nähert, vorbei an Wildblumenwiesen, rauschenden Wasserfällen und uralten Koniferen, ist mit Tagesausflügen, wie sie etwa Evergreen Escapes anbietet, gut bedient. Ein abgehobenes Erlebnis ist aber auch der 25 Minuten dauernde Rundflug über Downtown Seattle selbst. Wie ein im Boden festgepinntes UFO ragt dann der kreisrunde The Space Needle Teller auf, der anlässlich der Weltausstellung 1963 errichtet worden war. Die sanfte Wasserlandung am zentralen Lake Union ist ein Erlebnis für sich.
Neighborhood Watch
Man kann aber auch in die verschiedenen Falten der Stadt eintauchen. Kann Seattle als entspanntes Wohnzimmer lieben lernen. Vom Pike Place Market, dem kulinarischen Nabel der weltoffenen Stadt, war bereits die Rede. Von den spontanen Bootstouren, die der Bummel entlang der Seattle Waterfront ergänzen, noch nicht. Orte wie Elliot Bay oder Bainbridge Island überraschen dann mit Weingütern, Wanderwegen oder laden zu Kayaking ein. Facettenreich gestaltet sich der Bummel durch Seattles Stadtteile allemal. Den historischen Charme von Pioneer Square und das moderne, zugleich von viktorianischen Häuschen geprägte Viertel Queen Anne trennen Welten. Nördlich des Lake Union und der Salmon Bay grenzen einige Stadtteile direkt ans Wasser: Ballard beschert Besuchern dank seines skandinavischen Einschlags und seiner Seefahrertradition ein spezifisches Déjà-vu. Ganz anders das unmittelbar benachbarte Viertel Fremont: Auf dem einstigen Gelände des Gas Work Parks beeindruckt neben bizarren Zeugen der industriellen Vergangenheit der Blick auf die Skyline. Was man hier ebenfalls nicht versäumen sollte: die Skulptur eines Trolls, der einen VW-Käfer unter sich zerquetscht. Der Fremont-Troll, eines der bekanntesten Kunstwerke der Stadt, gilt als Symbol der lokalen Kunstszene.
Festival City
Spricht man mit Einheimischen, dann liegen die Prioritäten mitunter woanders. Dann ist auch von Stadtvierteln wie West Seattle die Rede – wegen der herrlich entspannten Mischung aus Wohnadresse, Second-Hand-Shopping und der sonntäglichen Routine, den hier gelegenen West Seattle Farmers Market abzuklappern. Einer der beliebtesten Strände der Elliott Bay – Alki Beach – lockt im Sommer Wassersportler an. Und von Locations wie Hamilton Viewpoint oder dem Seacrest Park gelingen Hobbyfotografen die vielleicht besten Skyline-Shots auf das Seattle Center. Ganz andere Partys verspricht indessen der diverse Stadtteil Capitol Hill, Heimat von stylishen Boutiquen und LGBTQ+ Bars. Jeden Juli wird hier die Capitol Hill Block Party zelebriert, eines der besten Musik- und Strassenfeste der Stadt. Das internationalere Gegenstück zu diesem Neighborhood-Event läuft unter dem Namen Bumbershoot – und zählt zu den grössten Musik- und Kunstfestivals der USA. Falls zwischen Naturerleben, Live-Musik, Food-Safari, spontanem Heli-Cruise sowie dem Pflichtbesuch im hochkarätigen Seattle Art Museum noch Zeit bleibt – die Emerald City hält für diesen Fall zahllose weitere Perlen bereit. Allein in Capitol Hill laden dann das Seattle Asian Art Museum oder der Volunteer Park mit seinem historischen Gewächshaus und Dahliengarten zum Besuch ein. Vielleicht stehen aber der kreative Wildwuchs von Seattles legendärer Musikszene oder die Spurensuche rund um Grunge-Legende Kurt Cobain an oberster Stelle der Bucket-List. Dann ist selbst der November keine schlechte Zeit – verwandelt das Musikfestival Cloudbreak die Stadt am Puget Sound doch dann in eine riesige Bühne. Dass die Liste an Locations, die tagtäglich zu Live-Music-Acts locken, endlos ist, muss kaum weiter erwähnt werden. Die Einladung zu vertiefenden Musiktouren aber schon. Die Grunge Redux Walking Tour – geführt vom Schriftsteller und gebürtigem Seattleite Eric Magnuson – führt zu den bedeutendsten Schauplätzen. Und die London Bridge Studio Tour macht Orte bekannt, an denen einige der berühmtesten Platten der Musikgeschichte Seattles aufgenommen wurden. So oder so: Ein Hit ist diese Stadt allemal!
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